Drachenblut
anderen geohrfeigt. Er fühlte sich plötzlich sehr einsam hinter seinem Schrank. Schöne Freunde waren das! Trotzig nahm er sich vor, durch eiserne Willenskraft und Durchhaltevermögen ein Signal zu setzen.
So verging eine Stunde, in der nichts Nennenswertes geschah. Gelegentlich hörte er im Stockwerk über sich die Dielen quietschen, ein sicheres Zeichen dafür, dass sich die anderen irgendwo im Haus herumschlichen. Hank hatte kein gutes Gefühl. Wusste der Henker, was sie gerade anstellten.
Die Zeit hinter dem Schrank verging nicht gerade wie im Fluge. Stanley hatte die Taschenlampe natürlich mitgenommen, und daher war es Hank unmöglich, die Uhr abzulesen. Der Staub hinter dem Schrank reizte seine Nase, die Luft war erfüllt vom Geruch alter Mottenkugeln und fauler Tapete, und irgendwann hatte Hank einfach genug. Zornig sprang er auf und stürmte hinter seinem Versteck hervor. Erst als sein rechter Fuß in der Dunkelheit auf einen runden Gegenstand trat, erinnerte sich Hank daran, dass sein Baseballschläger irgendwo im Zimmer herumliegen musste. Zu spät, Hank riss es unvermittelt von den Beinen, und für einen kurzen Moment hing er schwerelos in der Luft. Dann verschwand er hinter dem Sofa, wo er mit dem Rücken auf das Parkett knallte. Sein dumpfes Stöhnen verhallte einsam im Raum.
Die Wucht des Aufpralles presste die Luft aus Hanks Brustkorb. Die Schmerzen vernebelten seine Sinne, und er war zu keiner Regung mehr fähig. Selbst das Atmen fiel ihm schwer. Jede Bewegung wurde mit einem unangenehmen Stich in die Brust belohnt, und nur wenn er ganz flach atmete, war die Situation halbwegs erträglich. Es war sein einziger Trost, dass der Lärm des kleinen Unfalles durch das ganze Haus zu hören gewesen war und die anderen jeden Augenblick zu seiner Rettung eilen würden.
Es war nicht das erste Mal, dass sich Hank heute in seinen Freunden getäuscht hatte. So verging eine weitere Stunde, in der nichts Nennenswertes geschah. Das Quietschen der Dielen im Stockwerk über ihm war schon seit langer Zeit verstummt. Hank beschäftigte sich mit der Frage, wo sich die anderen wohl versteckt hielten. Wahrscheinlich hatten seine Kampfgenossen oben strategisch günstigere Stellungen eingenommen. Das war zwar gegen die Absprache, ließ aber ein gewisses Maß an Eigeninitiative erkennen. Das hätte er ihnen bei allem Unmut niemals zugetraut.
Endlich vernahm Hank einen Laut im Zimmer. Es hörte sich allerdings weniger danach an, als würde die Tür geöffnet. Vielmehr kamen die Geräusche vom Fenster her, von wo ein merkwürdiges Kratzen und Rütteln Hanks Sinne auf das Äußerste alarmierten. Hätte er seinen Kopf über die Lehne des Sofas heben können, dann hätte er gesehen, wie das Fenster von außen entriegelt wurde und sieben finstere Gesellen im Schein ihrer Taschenlampen in das Haus einstiegen. Aber auch ohne direkten Sichtkontakt war sich Hank der Bedeutung seiner Wahrnehmungen sicher: Hier waren Einbrecher am Werk!
Die Gestalten schauten sich im Zimmer um und stellten bald fest, dass offensichtlich niemand anwesend war. »Hallo, hallo! Ist denn jemand zu Hause?«
»Wahrscheinlich sitzt der Alte mit der Flinte hinter dem Schrank und wartet nur darauf, uns eines überzubraten.«
Heiteres Gelächter erfüllte das Zimmer.
»Vielleicht sollten wir mal hinter dem Schrank nachsehen«, schlug jemand kichernd vor.
Eine Welle der Heiterkeit erfasste die Männer. Nur Hank, der hinter dem Sofa dem Gespräch lauschte, konnte der Angelegenheit keine komische Seite abgewinnen.
»Seht mal her, Jungs!« Eine der Stimmen geriet plötzlich in freudige Erregung. »Was haben wir denn da!«
Hank wurde um zwanzig Jahre älter.
Ein Klicken war zu vernehmen. In Hanks Ohren hörte sich das an, als würde der Abzug einer Schusswaffe gespannt. Gleich darauf schwoll ein hochfrequenter Pfeifton an, und mit Erleichterung erkannte Hank, dass lediglich der Fernseher eingeschaltet worden war.
Eine weibliche Stimme meldete sich zu Wort. »Was soll denn der Quatsch?«
Als Hank diese Stimme hörte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Die Ähnlichkeit war einfach zu verblüffend. Wenn er nicht sicher gewusst hätte, dass seine Gattin heute Abend mit ihren Kegelbrüdern unterwegs war …
»Na, es geht doch gleich los. Im Nachtprogramm läuft die Wiederholung von SONS OF STEEL! Heute versinkt Osaka in Schutt und Asche,
Weitere Kostenlose Bücher