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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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war aus Eichenholz und mit Leder bezogen, das die Farbe von altem Blut hatte, innen war sie mit Schaffell ausgekleidet. Ich sah Kvasir fragend an, und er zuckte die Schultern.
    »Er wollte sie nicht abnehmen, und über dem Tor verfing sich sein Schultergurt am Holz. Er konnte nicht loskommen und hing dort, und weil er Angst hatte, von Pfeilen getroffen zu werden, zappelte er so lange herum, bis der Gurt riss und er zu Boden stürzte, dabei zersplitterte die Scheide, und das Holz drang ihm in Lunge und Leber. Er ist an Ort und Stelle gestorben.«
    Jetzt erinnerte ich mich an den Mann, der sich oben auf dem Tor abgemüht hatte, als ich um Dorschbeißers Leben kämpfte. Ich erinnerte mich auch, wie der Mann abgestürzt war und sich schreiend wand. Ein sinnloser Tod; kein Mensch trägt in der Schlacht eine Scheide, denn wenn sie einem nicht gegen die Beine schlägt, passiert irgendetwas anderes Dummes. Von seiner eigenen Scheide aufgespießt  – ein Witz, über den man in Odins Halle laut lachen würde.
    »Dorschbeißer?«
    Kvasir zuckte die Schultern und deutete in die Ecke, wo Bjaelfi am Werk war; Jon Asanes leuchtete ihm mit einer Pechfackel. Bjaelfis Arm bewegte sich kräftig hin und her, und ich wusste, was er da machte – er versuchte, Dorschbeißers Armwunde zu säubern, indem er Knochen und Gewebe noch einmal sauber abschnitt. Zum Glück war Dorschbeißer ohnmächtig, sonst hätte Bjaelfi nicht so ruhig arbeiten können.
    In der Nähe saß Finn und sah stumm zu, und Thordis, die sich um das Feuer kümmerte und Holzschalen bereitstellte, warf ihm immer wieder besorgte Blicke zu. Dann gab sie mir eine dampfende Schale und ein dickes Stück Schwarzbrot und hockte sich mir zu Füßen.
    »Sieht gut aus«, sagte ich. Das war nicht gelogen, es war ganz erstaunlich, wie gut der Eintopf war.
    »Die Verpflegung ist jetzt kein Problem mehr, Jarl Orm«, sagte sie. »Es scheint, dass die Neidinge, die wir besiegt haben, Lambisson den größten Teil seiner Vorräte gestohlen haben. Lambisson und die, die mit ihm gezogen sind, dürften inzwischen ziemlich Kohldampf haben.«
    Darüber hätte ich mich freuen können, wäre nicht der kleine Eldgrim einer von ihnen gewesen. Ich hatte den Verdacht, dass Dorschbeißer die Nacht nicht überleben würde,
und jetzt schien der kleine Eldgrim ebenfalls in großer Gefahr. Dazu kam der Tod von Runolf Hasenscharte … Es sah aus, als sei es das Schicksal der alten Eingeschworenen, Attilas Schatz nicht noch einmal zu erreichen.
    Thordis nickte ernst, als ich das sagte. Sie deutete mit dem Kopf zu Finn hinüber.
    »Er will sich von Klepp Spaki den Valknut auf die Stirn malen lassen«, sagte sie missbilligend. »Als Nächstes wird er das Amulett von dir verlangen.«
    Ich sah sie überrascht an. Wenn das stimmte, dann wollte Finn sich Odin weihen und es ganz ihm überlassen, ob er am Leben blieb oder starb, und damit hätte er sich genauso gut von der nächsten Klippe stürzen können, denn jetzt würde er in einem Kampf nicht mehr nachgeben, bis er ein klares Zeichen vom Einäugigen erhielt, dass es so besser sei. Ich fühlte mich wie ein Haus, dessen Dach gerade einstürzt.
    Ich aß meinen Eintopf, aber der Appetit war mir vergangen. Ich legte mich zurück, mir war warm, und ich war satt, aber mein Kopf war voll kreischender Möwen. Was würden Wladimir und sein Onkel machen, wenn der Grabhügel erreicht war? Ich musste an Finn denken. An Odin. Den Silberschatz. Die Männerhasser und deren Anführerin – womöglich doch Hild? Das Runenschwert, das sie schwang. Mein Runenschwert.
    Ich versuchte, mich wach zu halten, in der Hoffnung, gerade dadurch einzuschlafen, aber all diese Gedanken wirbelten wie ein Schneesturm in meinem Kopf herum und verursachten mir Kopfschmerzen. Als Finn aus der Dunkelheit auftauchte und sich neben mich setzte, war ich fast erleichtert. Ehe er etwas sagen konnte, nahm ich das Amulett, das ich um den Hals trug, und reichte es ihm.
    Er fragte nicht, woher ich es wisse, und hängte es sich um.
    »Du hast einen schweren Weg gewählt«, murmelte ich bedauernd. So hatte es sich angefühlt, als ich mal in einer schlecht getrimmten Knarr segelte – jedes Mal, wenn der Wind auf eine bestimmte Stelle des Segels traf, bekam sie Schlagseite und hob sich auf Steuerbord komplett aus dem Wasser, und man konnte nichts machen, als weiterzusegeln, bis der Wind nachließ und das Schiff wieder richtig im Wasser lag – oder bis man auf Grund auflief.
    »Lieber diesen Weg wählen

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