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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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verunsichert. »Eine der Auserwählten?«
    Sie nickte. »Ihr Name, soweit die Wälsungen ihn kannten, war derselbe wie meiner – Amacyn. Sie war damals die Anführerin der tupate, aber sie vergaß ihren Eid aus Liebe zu dem Schmied namens Regin. Sie folgte ihm zurück in den Norden, und bis es entdeckt wurde, war es zu spät. Der Herr der Welt forderte ihren Tod, um das Geheimnis der Grabkammer zu bewahren, aber wir sollten damit bis nach seiner Hochzeit warten. Doch da war es zu spät, denn in der Hochzeitsnacht tötete Ildiko ihn.«
    Ich dachte an die lange Zeit, die seitdem vergangen war, und was diese Liebe gekostet hatte.
    »Die Eidbrüchige wurde dann also nicht weiter verfolgt?« , fragte ich, als die Steinchen des Mosaiks sich langsam zusammenfügten.
    Die Frau zuckte die Schultern. »Die tupate hatten ihr Gesicht verloren, und der, der uns auserwählt hatte, war tot«, sagte sie. »Seinen Söhnen bedeuteten wir nicht viel – doch wir hatten geschworen, dieses Grab zu bewachen, und das taten wir nach bestem Vermögen. Die letzte Aufgabe der tupate war, den Herrn der Welt hierherzubringen und dann jeden zu töten, der nicht zu uns gehörte. Danach kehrten die tupate in ihre Heimat zurück, aber ihre Töchter wurden in der Kriegskunst ausgebildet, und das Geheimnis wurde an sie weitergegeben, und auch sie dienten, so gut sie es konnten, über die Jahrhunderte hinweg. Treu bis zur letzten Aufgabe – das Geheimnis des Grabes zu bewahren. Der Schwur erlaubte uns nichts anderes.«
    Ich kannte die Macht eines solchen Schwurs und wusste, wer an ihn gebunden war. Hild. Die Frau nickte.
    »Es wurde bekannt, dass die eidbrüchige Amacyn mit dem, was sie getan hatte, schließlich nicht mehr leben konnte«, fuhr sie leise fort. »Sie gebar eine Tochter und machte das, was wir alle machten, sie gab das Geheimnis
des Grabes weiter. Ich weiß es von meiner Mutter, und dadurch weiß ich auch, dass Amacyn sich dann in Regins Schmiede versteckt hielt und nicht mehr herauskam und sie versiegelte, sodass sie nicht mehr benutzt werden konnte. Der Schmied Regin starb, und man sagt, sein Herz sei gebrochen, weil er alles, was er liebte, verloren hatte, seine Frau und seine Schmiede. Alles das kam erst allmählich im Laufe der Jahre ans Tageslicht.«
    Jetzt erkannte ich das Gewebe, den böswillig gewebten Mantel des Elends, den die unschuldigen Töchter dieses Dorfes, in dem die Schmiede war, tragen mussten. Alle, die danach gekommen waren, konnten die Kette ebenfalls nicht durchbrechen, sie warteten, bis sie ein Mädchen geboren hatten – oder sie erwählten eins –, und wenn dieses Mädchen zur Frau herangereift war, gaben sie das Geheimnis von Attilas Grab weiter, ein Echo dessen, was Regins Frau einst gewesen war. Dann gingen sie aus Schamgefühl über das, was geschehen war, in den Berg mit der Schmiede. Vielleicht wurden die, die es nicht freiwillig taten, sogar mit Gewalt dorthin verbannt; es wurde zu einem Ritual für die Dorfbewohner, und sie wagten nicht, sich zu widersetzen.
    Die Frau hockte still da, während ich mühsam versuchte, das Ganze zu verstehen.
    »Und Hild war die Ausnahme«, sagte ich, als ich den ganzen traurigen Knoten endlich entwirrt hatte. Sie war aus dem kleinen karelischen Dorf entführt worden, weil der Mönch Martin glaubte, er sei einem Geheimnis auf die Spur gekommen. Er hatte sich einen Mann gesucht, Vigfus, genant Skartsmadr Mikill, der es ihm beschaffen sollte. Und als der keinen Erfolg hatte, versuchte er zusammen mit seinem Haufen Dänen, die Dorfbewohner zu erpressen, indem sie etwas mitnahmen, was für sie wertvoll war,
nämlich die junge Hild, die um ihre Mutter trauerte, die in die Schmiede gegangen war, und die selbst noch völlig verwirrt war von dem Geheimnis, das sie eben erst erfahren hatte.
    Schließlich sollte der Skartsmadr Mikill noch erleben, wie wichtig Hild für die Bewohner war; er und seine Dänen wurden mit einer solchen Grausamkeit angegriffen, dass sie nur so rannten und Hild als ihre einzige Beute mitnahmen. Als man sie endlich an Martin von Hammaburg auslieferte, hatten alle ihre Wut und ihren Hass an ihr ausgelassen, sodass sie fast wahnsinnig geworden war.
    Ich schilderte dieser späteren Amacyn die Geschichte ihrer ehemaligen Namensvetterin – der armen, verwirrten Hild, die wir gerettet hatten, der man die Last eines Geheimnisses und einer jahrhundertealten Sünde aufgebürdet hatte und die geradezu brannte vor Sehnsucht nach Rache an denen, die sie

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