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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Finn, der merkte, dass er in diesem Wortwechsel den Kürzeren gezogen hatte, funkelte ihn böse an.
    »Und ehe du wieder mit deiner Großmutter ankommst«, zischte er, »möchte ich dich an die älteste Weisheit von allen erinnern – nämlich dass eine abgeschnittene Zunge keinen Klatsch verbreitet.«
    Der rote Njal spitzte traurig die Lippen und schüttelte den Kopf. »Echte Kameradschaft kann nur gedeihen, wenn man völlig ehrlich miteinander umgeht«, entgegnete er. »Und für diese Weisheit kannst du auch meiner Großmutter danken.«
    »Trau nie dem Wort der Frauen«, rezitierte Finn, »denn ihre Herzen wurden auf der Töpferscheibe gemacht.«
    »Mit den Ohren hören, mit den Augen sehen – so findet der kluge Mann seinen Weg«, konterte der rote Njal.
    »Ach, hört doch endlich auf, ihr zwei«, rief Kvasir und erntete ein paar Lacher.
    Ich sonnte mich in dem Gefühl, auf diesem wunderbaren neuen Schiff mit der einzigen Familie, die ich kannte, dahinzusegeln. Und gerade als mir bewusst wurde, wie sehr ich es genoss, spürte ich Odins Atem. Mich überlief es kalt, ich erschauerte und drehte mich unwillkürlich zum Bug um.
    Die graugrüne See sah aus wie vorher, der düster-blaue Küstenstreifen ebenfalls – aber über einem Teil der Küste breitete sich ein dunkler Fleck aus, und ein rotes Auge zwinkerte bösartig.
    Ich starrte hinüber und versuchte zu verstehen, was ich da sah, da erschien Finns feuchter Bart dicht neben meinem Gesicht, und er nahm mir die Erklärung ab.
    »Rauch und Feuer«, sagte er. »Hestreng.«
    Während ich noch bemüht war, einen klaren Gedanken zu fassen, hatte er sich schon zu den rudernden Männern umgedreht.
    »Rudert, ihr Hundesöhne!«, brüllte er. »Unsere Halle brennt!«
Wir ruderten mit aller Kraft und trieben die Fjord Elk über die Wellen und auf die Küste zu, während die, die nicht ruderten, ihre Helme aufsetzten, die Gurte festzogen und die Schärfe ihrer Klingen prüften.
    In meiner Panik lief ich ruhelos zwischen Mast und Bug hin und her, bis Kvasir mir mit dem Ruderblatt eins auf den Helm gab, was mich wieder zur Vernunft brachte.
    Er brauchte gar nichts zu sagen, wir sahen uns nur an, und ich nickte ihm dankbar zu. Er grinste, doch seine Augen waren hart, und mich durchfuhr ein Schreck, als ich an Thorgunna, seine Frau, dachte, sowie an Botolf, Ingrid, Aoife und alle anderen. Wie ein Wirbelsturm kreisten meine Gedanken um die eine Frage. Wer war gekommen? Wer hatte es gewagt?
    Die Antwort kannte ich nicht. Wie alle Seeräuber hatten wir mehr Feinde als Freunde, und der Fluch war, dass ich uns verletzlich gemacht hatte, indem ich für uns einen Ort geschaffen hatte, den sie angreifen konnten. Einen Ort, wo sie sicher sein konnten, uns zu finden.
    Gisur feuerte die Ruderer an, die bis zum letzten Moment keuchten und schwitzten und schließlich krachend die Riemen einzogen, während der Kiel über den Kies knirschte und alle über Bord sprangen.
    Ich kletterte auf die Ducht, warf mich auf die Steine und stolperte ein paar Schritte vorwärts. Ich sah die Männer vor mir, die, angefeuert von der Angst um das, was sie zu verlieren drohten, auf Hestreng zurannten, dass Sand und Kies nur so spritzten.
    »Finn!«, schrie ich, und er sah es und brüllte wie ein brünstiger Stier, worauf die meisten Männer stehen blieben.
    »Wartet doch, ihr Dummköpfe«, schrie auch Kvasir, so laut er konnte in die Menge. »Wir gehen zusammen. Die Eingeschworenen, als Mannschaft.«
    Sie brüllten und schlugen mit den Schwertern auf die Schilde, aber in Wahrheit hatten ja die meisten von ihnen den Eid noch gar nicht abgelegt. Selbst jetzt, da sie keuchend hinter mir hertrabten, konnte ich nur hoffen, dass sie kämpfen würden – selbst wenn es nur darum ging, ihre wenigen Besitztümer zu verteidigen, die sie in meiner Halle untergebracht hatten.
    Als wir über den Hügel kamen, der Hestreng vor dem Meer schützte, wurde uns klar, dass es nicht meine Halle war, die brannte, auch keines der Außengebäude, und mich schwindelte fast vor Erleichterung. Doch sofort empfand ich ein tiefes Schuldgefühl gegenüber denen, die es erwischt hatte.
    »Gunnarsgard«, sagte Kvasir und sah mit zusammengekniffenem Auge auf den Rauch und den Feuerschein. »Tors Hof brennt.«
    Er war nicht gerade unser Freund, aber er war doch ein Nachbar. Ich wollte gerade in Richtung des brennenden Hofes losrennen, als ich sah, dass Kvasir den Weg nach Hestreng eingeschlagen hatte, gefolgt von Finnlaith und den anderen.

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