Drachenboot
Natürlich, er wollte zu seiner Frau. Beschämt folgte ich ihnen.
Ich hörte das Krachen von Eisen auf Holz und das metallische Klirren von Stahl auf Stahl. Als ich Kvasir und die Gruppe der Eingeschworenen eingeholt hatte, drang lautes Keuchen und Brüllen an mein Ohr.
Ich rannte in den Hof und sah Finnlaith und Ospak, die »Ui Neill« brüllten und auf einen Haufen Männer losrannten, die von dem riesigen Botolf in Schach gehalten wurden, der schwitzend, das Holzbein in den Misthaufen gestemmt, eine große Langaxt über ihren Köpfen kreisen ließ. Kvasir ignorierte sie und rannte auf die Halle zu.
Ein Kerl im dreckigen Schafspelz und mit bösartigem
Grinsen hielt mir seinen Speer entgegen, was mich so überraschte, dass ich nur mit knapper Not meinen Schild heben konnte, der mir vom Aufprall jedoch aus der Hand rutschte, da ich ihn nicht fest genug hielt.
In mir stieg eiskalte Wut hoch. Ich hatte noch nicht einmal mein Schwert aus der Scheide gezogen, sondern setzte meinen schweren Stiefel auf den Schild und zog den Speer aus dem Holz. Damit ging ich auf den Kerl zu, der einen Sax hatte und aussah, als wüsste er ihn zu gebrauchen.
Ich weiß nur noch, dass ich mit dem Ende des Speers einen Halbkreis beschrieb und die kurze Klinge seines Sax traf und ich ihn zur Seite schleuderte. Dann hieb ich mit der Klinge des Speers zu, sodass er sein Gesicht zur Seite drehte. Es riss ihm seinen Schafspelz herunter, und er heulte auf, aber es war zu spät.
Ich stieß ihm die Spitze in den Bauch, knapp unter dem Brustbein, und drückte fester zu, sodass er wie ein aufgespießter Fisch zappelte und schrie und seine Beine hilflos auf dem Boden scharrten, während ich ihn immer weiter zurückdrängte, bis er gegen die Wand des Brauhauses stieß, wo ich ihn im durchhängenden Flechtwerk aufspießte.
Schließlich zog Finn mich von ihm fort. Später sagte er, ich hätte den Mann so fest gegen die Wand gedrückt, dass ich beinahe das ganze Brauhaus eingerissen hätte, wobei ich ihn immer wieder angeschrien hatte, er solle mir sagen, wer er sei, und wer es gewagt habe, die Eingeschworenen anzugreifen.
Jetzt traf auch der Rest der Mannschaft keuchend ein, und weil sie zu spät kamen, ließen sie ihre Enttäuschung mit Fußtritten an den Toten aus. Denn sie waren alle tot, alle sechs.
Schnaufend und mit rotem Gesicht kam Botolf auf mich zugehumpelt. Er grinste.
»Elende Hurensöhne«, sagte er und spuckte auf den, der ihm an nächsten lag. »Ein Strandhogg, dachte ich mir. Die sind hinter unseren Hühnern oder Pferden her. Und als Thorgunna sah, wie sie auf der Weide ziemlich ungeschickt versuchten, Stuten einzufangen, wusste sie sofort, mit wem wir es zu tun hatten.«
Thorgunna … Ich hob den Kopf, beschämt und schuldbewusst, weil ich sie vergessen hatte, aber Botolfs Grinsen wurde noch breiter.
»Das ist ein Weib«, sagte er bewundernd, und in dem Moment tauchte Kvasir auf, an seiner Seite Thorgunna, hinter ihr Ingrid, gefolgt von Aoife mit Cormac auf der Hüfte und den Leibeigenen Drumba und Heg.
»Sie haben die Tür der Halle verrammelt«, sagte Kvasir.
»Das war sehr klug«, lobte Finn, aber Thorgunna schnaubte nur und verschränkte die Arme vor den mächtigen Brüsten.
»Nichts weiter als gesunder Menschenverstand«, sagte sie barsch, »wenn diese Sorte Freunde zu Besuch kommt.«
»Meine Freunde sind das nicht«, erwiderte Finn grimmig, indem er mit der Fußspitze eine Leiche umdrehte. »Aber trotzdem, irgendwie kommt mir dieser hier bekannt vor.«
»Wahrscheinlich seit eurer Geburt getrennt«, sagte Ingrid trocken.
»Meine Schwester …«, sagte Thorgunna in diesem Moment fast tonlos und sah in Richtung Gunnarsgard. Ich schluckte, denn für einen Moment hatte ich nicht daran gedacht. Thordis, ihre Schwester, sie lebte als Tors Frau auf dem Hof.
»Finn – nimm dir ein paar gute Männer«, sagte ich schnell. Zum ersten Mal, seit der Rauch mir den Kopf vernebelt hatte, sah ich jetzt deutlich, was zu tun war. »Botolf
– bleib hier bei den Frauen. Kvasir – bleib auch du bei deiner Frau und befehlige die Männer, die ich zurücklasse.«
»Bleib bei den Frauen«, murmelte Botolf schlecht gelaunt. »Bleib bei den Frauen …«
»Und halt deine Zunge im Zaum«, fuhr Ingrid ihn mit auflodernder Wut an. Thorgunna nahm sie beim Arm.
»Deinetwegen sind sie gekommen. Sie hatten es auf dich abgesehen«, sagte sie und wandte sich bereits zum Gehen. »Sie haben deinen Namen gerufen, als ob sie dich kennen
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