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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Männer, die noch immer hinter uns her waren, wichen erschrocken zurück.
    Die Strug schoss weiter, überwand den Rest des Ufers – und glitt schließlich in den dunklen Fluss.
    Ich verlor das Seil aus den Händen. Ich war hochgerissen worden, und einen kurzen Moment hatte ich das wunderbare Gefühl zu fliegen, wobei ich den klaren Sternenhimmel über mir sah – gefolgt vom Schock des kalten Wassers, so kalt, dass meine Haut brannte. Ich ging unter und drehte mich in der eiskalten Dunkelheit, kam einmal hoch und sah, wie sich die Strug von mir entfernte, während die Männer schrien und brüllten und versuchten, sie anzuhalten  – dann versank ich wieder, und die Welt war nur noch ein dumpfes Rauschen in meinen Ohren.
    Schließlich waren es Hlenni Brimill und Onund, die mich retteten. Der eine entdeckte mich, und der andere sprang ins Wasser wie ein Walrossbulle, ergriff mich und brachte mich an die Oberfläche.
    Als ich die Augen öffnete, lag ich an Deck, triefend und zitternd, voll blauer Flecke und mit Handflächen, die nur noch aus rohem Fleisch zu bestehen schienen. Hlenni rieb mich so kräftig ab, dass er mich fast erdrückte, aber unter seinen Händen kehrte wieder Leben in meinen Körper zurück. Ganz in der Nähe machte der rote Njal dasselbe
mit Onund, der unter seinem Umhang zitterte, aber trotzdem ein Grinsen zustande brachte und herüberwinkte. Ich nickte zähneklappernd, ich wusste, was ich ihm schuldete.
    »Rudert, ihr Hundesöhne!«, brüllte Gisur, als die Pfeile pfiffen und auf Holz trafen – doch das Geschrei zeigte uns, dass Wladimirs Männer jetzt in dem allgemeinen Chaos und in der Dunkelheit gegen die Garnison von Sarkel kämpften.
    Sie ruderten, die Hundesöhne, so schnell sie konnten und vor Anstrengung keuchend. Im Moment waren sie viel zu sehr damit beschäftigt, um daran zu denken, was sie verloren und gewonnen hatten; sie merkten lediglich, dass die Pfeile blind abgeschossen wurden und uns nicht mehr trafen.
    Später, als die Ruderer stöhnend innehielten, um wieder zu Atem zu kommen, zog Klepp Spaki Bilanz. Wir hatten sowohl Katli Björnsson als auch seinen Bruder Vigo in diesem Kampf verloren, und ich wusste, sie ließen eine Mutter zurück, die allein um sie weinen würde.
    Und Gyrth. Finn erzählte mit unbewegtem Gesicht, dass er noch wie ein riesiger Felsbrocken einen weiteren Reiter überrollt hatte und dann verschwunden war. In meinem Kopf hörte ich ihn noch immer brüllen: Hier ist Steinnbrodir.
    »Und was ist nun Odins Geschenk bei dieser ganzen Sache?«, fragte Klepp bitter, während ich zitternd dasaß und ihm nicht sagen wollte, dass es wirklich ein Geschenk war, wie der Einäugige seine Hand über uns gehalten hatte. Denn wenn er es nicht getan hätte, wären wir jetzt alle tot.
    Thordis entdeckte den Rest von Odins zweischneidigem Geschenk, als sie sich zusammen mit Bjaelfi um Thorgunna kümmerte. Sie lag, ähnlich wie wir Fisch vorgefunden hatten, auf einem Haufen unordentlich hingeworfener
Pelze – die einen Berg hastig eingesackter Münzen, Armreifen, zerbeulter Teller und verbogener Schmuckstücke bedeckten, all die kleinen Gegenstände, die auf mindestens einem der Wagen gewesen waren. Ein Vermögen, das zusammen mit Thorgunna gut versteckt worden war und mich jetzt anklagend anfunkelte. Der kleine Wladimir würde über den Verlust außer sich sein.
    Ich starrte noch immer auf diese Schätze und fragte mich, ob Wladimir sich damit abfinden oder mit dem Fuß aufstampfen und uns verfolgen würde, als Fisch den Rest unseres Wyrd ans Licht beförderte, während sich alle Männer, die noch bei Kräften waren, in der Mitte des Flusses in die Riemen legten.
    »Und wem gehört das hier?«, fragte er und kam herangehinkt, nachdem er das Schiff nach etwas Essbarem und wärmerer Kleidung abgesucht hatte. Er hatte eine grauweiße Gestalt beim Genick gepackt und hielt sie hoch wie ein Kaninchen.
    Uns allen blieb beinahe das Herz stehen, die Männer wurden blass, und ich stöhnte auf. Das Silber war schon schlimm genug, aber das hier war nun wirklich ein Grund, uns mit aller Kraft nachzujagen.
    »Ich wollte doch Thorgunna nicht allein lassen«, sagte Krähenbein und sah mich mit tränennassem Gesicht an. »Sie war immer gut zu mir.«

Es dauerte eine ganze Weile, bis es den wenigen Überlebenden der Eingeschworenen dämmerte, wie es um uns stand. Wir hatten also doch etwas von dem Silber ergattert, und darüber herrschte großer Jubel – aber wir hatten jetzt auch

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