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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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schwören können, dass es fröhlich klang.

Das Meer hatte die Farbe von nassem Schiefer, und die Gischt auf den Wellenkämmen flog dahin wie weiße Pferdemähnen. Irgendwo in der Ferne, dort, wo an einem unsichtbaren Punkt der grauschwarze Himmel und das Meer ineinander übergingen, lag das Land der Voden und Esten.
    Zwei Tage. Drei Tage. Wer konnte es sagen? Für einen Steuermann bedeutete eine »Tagesreise«, die Strecke, die ein gutes Schiff bei gutem Wind an einem Tag zurücklegte, etwa dreißig Meilen. Bei ungünstigen Bedingungen konnten eine »Tagesreise« daher auch zwei Tage dauern. Gisur meinte, wir seien drei Tage von der Küste der Voden entfernt, und hielt Ausschau nach einer Bergkette, die aussah wie Hundezähne, aber sie wollte sich einfach nicht zeigen.
    Wir alle hockten eng aufeinander, wie immer bei schlechtem Wetter. Man zieht sich in sich selbst zurück, wie ein Bär im Winterschlaf. Man duckt sich und versucht, nur irgendwie durchzuhalten.
    Das Segel war nur zur Hälfte gesetzt, wir fuhren nach Osten und leicht südlich und hatten guten Wind. Die Riemen waren innenbords, und die meisten von uns hatten nichts weiter zu tun und konnten sich in ihre Schlafsäcke aus Seehundsfell verkriechen. Jeder versuchte stillschweigend, so warm und trocken wie möglich zu bleiben, während der Wind in den Tauen pfiff und der Regen peitschte.
    Thorgunna kauerte zusammen mit den Sklavinnen und Jagdhunden bei mir unter dem kleinen Zeltdach, das mir
als Jarl zustand. Es war eher ein symbolischer Schutz, aber die dicht aneinandergedrängten Körper sorgten für etwas Wärme, die ich umso mehr genoss, da sie von Frauen stammte.
    Es hatte bei Botolf keine besondere Freude ausgelöst, dass ich ihn während meiner Abwesenheit zum Verwalter ernannte. Ingrid aber hatte stolz gelächelt, als Thorgunna ihr die Schlüssel aushändigte, was Kvasirs Frau mit gerunzelter Stirn zur Kenntnis nahm. Es war ohnehin schlimm genug für Thorgunna, dass sie ihre Schätze zurücklassen musste – die schwere Eichentruhe mit dem mächtigen Eisenschloss, voll fein gesponnener Wolle und dem Bettzeug, das noch von ihrer Großmutter genäht worden war. Nun musste sie auch noch ihre Position in der Halle an eine andere Frau übergeben, die nicht meine Hauptfrau war – ja, mit der ich nicht einmal verheiratet war. Ich musste ihr versprechen, dass sie die Schlüssel nach unserer Rückkehr zurückbekommen würde.
    »Verhalte dich nur ruhig, du brauchst gar nichts zu machen«, riet ich Botolf, der unglücklich war, dass er zurückgelassen wurde, und sein fehlendes Bein einmal mehr verfluchte. Ich brauchte hier einen klaren Kopf und ein tapferes Herz, denn Tor hatte Freunde in der Gegend, und man konnte nie wissen, wem sie die Schuld an dem Überfall geben oder auf welche Ideen sie noch kommen würden. Ingrid war für das Erstere verantwortlich, Botolf für das Zweite.
    »Ich werde mir Klerkon vorknöpfen und Thorgunnas Schwester zurückholen«, erklärte ich. »Dann fahren wir ins Gardarike und suchen den kleinen Eldgrim und Dorschbeißer.« Er nickte verständnisvoll, aber im Grunde war in Botolfs Kopf nicht viel mehr Verstand als im Hinterteil eines Ochsen. Ab und zu war er allerdings auch für eine Überraschung gut.
    »Jarl Brand wird einiges zu dem Vorfall hier zu sagen haben, und das wird nichts Gutes sein«, bemerkte er. »Du solltest ihm das selbst beibringen, ehe er dich für vogelfrei erklärt.«
    Er grinste, als er mein Erstaunen sah.
    »Du solltest mir Hestreng verkaufen, für den Preis einer Eichel oder für ein Huhn«, fügte er hinzu. »Dann kann ich es dir nach deiner Rückkehr wieder verkaufen. Dann würde …«
    »Dann würde Jarl Brand Gift und Galle spucken«, beendete ich den Satz für ihn, »dafür, dass ich etwas verkauft habe, was er mir zum Lehen gegeben hat.«
    Einen Augenblick starrte er mich an, dann überraschte er mich noch mehr.
    »Wenn du weder Hestreng noch Jarl Brands guten Willen verlieren möchtest«, sagte er, »dann wirst du schon etwas Gewichtiges in die Waagschale werfen müssen, um dein Ansehen bei ihm wiederherzustellen. Denn nicht nur hast du ihn wegen Attilas Schatz belogen, sondern jetzt ziehst du auch noch umher und erschreckst friedliche Bauern mit deiner Seeräuberei.«
    Er sah mich an, seine Augen waren wie das Meer, wenn der Wind sich gelegt hat.
    »Für mich sieht es ganz danach aus, als müsstest du noch einmal zu Attilas Grabhügel ziehen und so viel Silber mitnehmen, wie du nur tragen

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