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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Führer.«
    Doch Tiens Furcht sollte ernst genommen werden, und
das sagte ich auch, als Dobrynja zustimmend nickte. Diese Männerhasser mochten nicht mehr als eine Handvoll guter Reiterinnen sein, aber es war das Fremdartige an ihnen, dieses Unvorstellbare, dass Frauen einen mit Bogen und Schwert angriffen, was einem Schauer einjagte. Besonders da sie auch noch diese verformten Köpfe und tätowierten Gesichter hatten.
    Die Skjaldmeyjar – die Schildmaiden – waren uns nichts Neues, doch sie waren Geschöpfe aus der Alten Zeit, als Thor und Odin noch auf Erden wandelten. Visma war eine von ihnen und Vebjorg eine andere, und es gab noch mehr. Den Sagen nach hatten sie zur Zeit des alten Königs Bjarni eine große Anzahl von Helden angeführt, also mussten sie mutige Frauen gewesen sein.
    Aber das war damals, und dies war jetzt. Zwar bewunderten wir eine starke Frau, die es verstand, mit der Waffe in der Hand ihr Eigentum zu verteidigen, doch keinem Mann gefiel der Gedanke, dass eine Frau Heim und Herd aufgab, um in einem Schildwall zu stehen.
    Also würden die Gerüchte sich ausbreiten, zusammen mit Tiens Befürchtungen. Die Männer würden sich vor Angst in die Hosen machen, und das Unheimliche an diesen Frauen würde mit jeder Erzählung am Feuer noch zunehmen.
    »Wir können doch jetzt nicht umdrehen, wegen ein paar … Weibern!«, brach es aus Sigurd heraus, und Dobrynja beschwichtigte ihn, er solle leiser sein. Er sah mich an, düster und voller Besorgnis.
    »Damit wäre der Prinz ganz bestimmt nicht einverstanden«, sagte er bitter. »Du kennst die Macht dieses Silberschatzes, nicht wahr, Jarl Orm? Du hast erlebt, wie der Gedanke daran die Menschen beherrscht.«
    Ich nickte, und mehr erwartete er nicht. Die Wirkung des
Giftes hatte schon eingesetzt und löste bei dem kleinen Wladimir Träume von Ruhm und Macht aus.
    »Dann ziehen wir weiter«, knurrte Dobrynja. »Denn wir haben gar keine andere Wahl, und von den Göttern scheint auch keiner meine Bitten zu erhören.«
    Das wussten wir alle. Wir hatten die verkohlten Überreste seiner Opfer gesehen, der Opfer an Perun, den Donnergott, an Swarog, den Himmelsläufer, an Stribog, den Gott der Winde und selbst an Jarilo, den Strahlenden, der eigentlich nichts weiter war als ein großer Schwanz auf Beinen. Keiner dieser falschen Slawengötter konnte es mit Allvater Odin aufnehmen, der der Welt die Geheimnisse der Zauberei zuflüsterte, und keiner von ihnen erhörte Dobrynjas Flehen, der kleine Wladimir möge zur Vernunft kommen.
    »Eine Bachstelze ist klein«, murmelte Sigurd, »aber sie ist trotzdem ein Vogel, wie man in Nowgorod sagt.«
    »Hast du zufällig auch eine Großmutter?«, fragte ich. »Wenn ja, dann ist der rote Njal vielleicht ein lang verschollener Verwandter von dir.«
    Die Jungen hatten ihr Gespräch unterbrochen, sie sahen kurz zu uns herüber und mussten dann über Sigurds finsteres Gesicht laut lachen.
    Auch in der Scheune, die wir Eingeschworenen als unseren Hof bewohnten, war es finster. Die Luft war voll Rauch vom frisch angefachten Feuer, doch die Gesichter der Männer, die darum saßen, waren ernst. Sie waren zwar bemüht, ihre Freude über meine Rückkehr zu zeigen, und Onund Hnufa brachte sogar ein Lächeln zustande. Aber der schöne Lambi war krank, und die Gewissheit, dass er sterben würde, bedrückte sie alle.
    Lambi lag in einer dunklen Ecke, und niemand konnte sein mühsames, rasselndes Atmen überhören. Bjaelfi
war in seiner Nähe, und Jon Asanes saß am Kopfende des Lagers und kühlte seine Stirn mit nassen Umschlägen.
    Nackt und vor Schweiß glänzend lag Lambi da. Thordis versuchte vergeblich, ihn zuzudecken, denn so weit vom Feuer entfernt war es kalt, aber Lambi warf die Decken immer wieder ab. Ich sah Thordis an, ihr Blick sagte alles. Bjaelfi ging zum Feuer hinüber, wo er in einem Topf etwas kochte.
    »Wie geht es dem Jungen?«, wollte Gisur wissen, und Bjaelfi hockte sich hin und rührte im Topf.
    »Nicht gut«, musste er zugeben.
    »Er hat zu viel Gallensaft«, sagte Jon mit Überzeugung. »Das habe ich bei den Mönchen in Kiew in einem Buch gelesen. Fieberkranke haben immer zu viel davon.«
    »Richtig«, murmelte Bjaelfi. »Du wirst es schon am besten wissen, Jon Asanes.«
    Jon, der sich getroffen fühlte, warf ihm einen kritischen Blick zu. »Was für eine Medizin gibst du ihm denn? Das würden hier bestimmt alle gern wissen.«
    Bjaelfi schöpfte etwas von der Flüssigkeit aus dem Topf in eine hölzerne Schale und

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