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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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zeigen sollte.
    Plötzlich kam mir der unheimliche Gedanke, ob der Junge nicht vielleicht einen unbekannten Zauber auf den jungen Prinzen ausübte. Selbst wenn ich mir immer wieder sagte: »Er ist erst neun«, konnte ich diesen Verdacht nicht loswerden. Und ausgerechnet ihm verdankte ich jetzt mein Leben.
    »Fast wären sie zu spät gekommen«, fuhr Dobrynja mit seiner tiefen Stimme fort. »Tien sagt, der buran kam blitzschnell und tobte stärker, als er es jemals erlebt hatte.«
    Der buran, hatte ich gelernt, war der Name für diese Winterstürme. Kvasir meinte, der Rettungstrupp habe ihn nur überlebt, weil Tien darauf bestanden hatte, seine Jurte mitzunehmen, dieses kleine runde Steppenzelt, das nur aus Stämmen und dicken Lagen von Filz besteht. Finn gab ihm recht, voller Bewunderung bestätigte er, dass die Jurte ebenso wetterfest sei wie eine isländische Hütte.
    »Und der buran war nicht die einzige Gefahr«, sagte Sigurd.
    »Ja«, stimmte ich zu. »Da ist auch noch diese Frau.«
    Dobrynja zog an seinem Bart und teilte ihn wie eine Gabel. »Tien hält es für nicht unwahrscheinlich, dass es alles
Frauen waren, jedenfalls die, die euch angegriffen haben. Er sagt, sie leben noch immer wie die alten Hunnen, und dazu gehört auch, dass sie die Köpfe von Kindern, die sie ausgewählt haben, auf diese Art verformen.«
    Wir schwiegen, teils aus Verwunderung, teils vor Entsetzen über diese Tatsache. Krähenbein und Wladimir wurden immer lauter in ihrer Ecke und lachten über Krähenbeins Schilderung unseres Abenteuers. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass in seiner Erzählung kein Wort davon fiel, dass er sich nass gemacht hatte.
    »Diese Kriegerinnen gehören jetzt zum Stamm der Jassen«, sagte Dobrynja, »doch der Stamm hat nur wenig Einfluss auf sie. Als die Chasaren die Jassen-Stämme noch regierten, haben sie diesen Kriegerinnen verboten zu reiten, aber jetzt, wo wir die Macht der Chasaren gebrochen haben, haben wir in der Steppe offenbar etwas Schlimmes entfesselt.«
    »Was wollen sie denn eigentlich?«, wollte Sigurd wissen.
    »Uns aufhalten«, sagte ich, ehe Dobrynja etwas sagen konnte. Ich war mir ganz sicher, so sicher, als hätte es jemand in Runen für mich aufgeschrieben. »Sie wollen uns daran hindern, zu Attilas Grab zu gelangen.«
    Dobrynja sah mich durch seine buschigen Augenbrauen an und brummte zustimmend.
    »Das meint Tien auch. Er sagt, die Vorfahren dieser Weiber seien Attilas ganz besonderer Stolz gewesen, als er noch der große Herrscher über alle Steppenvölker war. Er bevorzugte sie, meint Tien, weil er ihre Kühnheit bewunderte. Dafür waren sie seine zuverlässigsten Krieger, denn das hob sie über den Status normaler Frauen hinaus.«
    »Wie kommt es, dass du nichts davon wusstest?«, wollte Sigurd von mir wissen. »Haben sie euch nicht auch beim ersten Mal vom Grab abzuhalten versucht?«
    Das hatten sie nicht, und der Grund war, dass sie nicht zu reiten wagten, solange die Chasaren regierten. Diese Kriegerinnen waren schließlich nur ein kleiner Teil eines großen Stammes der Jassen, und die Chasaren waren damals ein mächtiges Reich.
    Das erklärte ich ihm, aber den Rest behielt ich für mich. Zum Beispiel, dass auch sie wussten, wo der Grabhügel war. Tien sagte mir später, er halte es für möglich, dass dieses Wissen nur jeweils an einige Auserwählte weitergegeben wurde. Ich sagte nichts, ich hatte meine eigene Meinung darüber, wer sie zu diesem Ort geführt hatte, und mein letzter Eindruck von Hild stieg in meiner Erinnerung auf, wie sie mit Augen, die schwarz waren vor Hass, in Attilas Grab auf mich einhieb.
    »Die Steppenvölker sind auseinandergebrochen, und jetzt, wo auch Swjatoslaw tot ist, fehlt die starke Hand, um diesen verrückten Weibern Einhalt zu gebieten«, sagte Dobrynja.
    Sigurd rückte wieder einmal an seiner Silbernase, denn wenn er ein finsteres Gesicht machte, drückte sie ihn, und er machte jetzt sehr oft ein finsteres Gesicht.
    »Also haben wir es außer mit diesem Lambisson, der vorausgezogen ist, zusätzlich noch mit ein paar berittenen Weibern zu tun, die mit uns kämpfen wollen«, brummte er. »Aber meine Männer werden mit all dem schon fertig werden.«
    »Tien geht freiwillig nirgendwo mehr hin, solange er kein Schwert im Rücken spürt«, sagte Dobrynja, und Sigurd pfiff leise durch seine Nase, was seine Version eines verächtlichen Schnaubens war.
    »Wir sollten den kleinen Dreckskerl dafür pfählen – aber wozu? Wir haben ja andere

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