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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Jon wusste Bescheid.
    »Herodot«, sagte er strahlend vor Freude darüber, dass er sich an etwas erinnerte, was er gelernt hatte.
    »Wer?«, murmelte Finn, der gerade das Ersatzpferd zwischen die Deichseln bugsierte. Er richtete sich auf.
    »Ein Grieche. Er beschrieb Frauen wie diese, die es früher, zur Zeit der griechischen Helden gab. Amazonoi hießen sie – Kriegerinnen der skythischen Stämme. Herakles, der stärkste Mann der Welt, hat einst mit ihnen gekämpft.
Ich habe im Kloster von Nowgorod davon in einem Buch gelesen.«
    Die Tatsache, dass er ein Buch gesehen und sogar darin gelesen hatte, beeindruckte die meisten der Männer derart, dass sie einen Moment schwiegen und diesen griechischen Jüngling anstarrten, als sähen sie ihn in einem ganz neuen Licht.
    »Es gibt sie immer noch«, sagte Morut, der kleine dunkle Chasare. »Sie gehören zu einem Stamm der Jassen …«
    »Schon allein die Erwähnung dieses Wortes ist mit cherem belegt«, schrie Avraham ihn an, aber Morut zuckte nur die Schultern, wenn er auch etwas rot wurde.
    »Mit deinem cherem habe ich nichts zu tun«, sagte er, und Avraham stürmte aufgebracht davon.
    »Was ist das denn, ein cherem?«, fragte Gyrth.
    »So eine Art Gesetz oder Bann«, erklärte Morut, »der besagt, dass man kein Anhänger der Tora mehr ist.«
    Die Tora war der Name für ihre heiligen Sagen. Und wenn Morut gegen dieses Gesetz verstoßen hatte, bedeutete das, dass er nicht länger zu den Juden gehörte. Ich hatte in Birka genug solcher Leute kennengelernt – Chasaren und auch Radaniten – und wusste, dass dies die schlimmste Strafe für sie war, die es nur gab.
    Der dunkle kleine Chasare zuckte nur wieder die Schultern. »Ich bin Jäger und Fallensteller«, sagte er. »Avraham gehört zur Kaste der Krieger, also muss er Jude sein und sich an die Gesetze halten. Aber die Hälfte meiner Familie ist längst im Süden, sie sind inzwischen vielleicht sogar schon Muselmänner geworden. Vielleicht gehe ich auch dorthin und werde selbst einer, obwohl es mir gar nicht gefallen will, dass einem dann Bier und grüner Wein nicht mehr erlaubt sind.«
    Finn ließ sich laut und verächtlich aus über die Dämlichkeit
einer Religion, die einem das Trinken verbot, ganz zu schweigen davon, dass er nichts davon hielt, dass eine scharfe Klinge auch nur irgendwo in die Nähe seines Schwanzes käme. Für mich war lediglich die Information wichtig, dass nicht alle Chasaren Juden waren. Krieger und sonstige Hochgeborene waren es, aber später erfuhr ich, dass selbst von denen nicht alle dazugehörten. In der Garde der Großen Stadt gab es Chasaren, die getaufte Christen waren.
    Doch noch viel wichtiger war mir etwas, worüber ich immer wieder nachdenken musste und was ich einfach nicht verstand. Wie konnte man den Glauben an Götter annehmen und nach Belieben wieder ablegen, als sei es nichts weiter als ein Umhang?
    Aber hier im Dorf hatte ich andere Sorgen. Nachdem Bjaelfi sich meinen Kopf angesehen hatte, traf ich mich an einem ruhigen Ort mit Wladimir, Sigurd und Dobrynja; Krähenbein kam ebenfalls dazu. Er und Wladimir zogen sich sofort in eine Ecke zurück, Letzterer natürlich sehr erleichtert, dass sein Freund in Sicherheit war.
    »Knochen, Blut und Stahl«, sagte ich trocken, als die anderen mir zu meiner glücklichen Heimkehr gratulierten. »Unser alter Schwur hat sogar mein Schwert mit einbezogen.«
    Sigurd blieb wie angewurzelt stehen, denn er hatte sehr wohl meine Andeutung verstanden, dass er sich lediglich um Krähenbein Sorgen gemacht habe, während es Wladimir nur um das Schwert ging, von dem ich den Weg zu »seinem Schatz« ablesen konnte. Nur die Eingeschworenen waren allein meinetwegen ausgezogen, dem Schwur verpflichtet, und diese Erkenntnis ließ mich erschauern. Hier war eine große Kraft am Werk – eine Kraft, gegen die ich mich mein Leben lang gesträubt und die ich gründlich unterschätzt hatte.
    Krähenbein dagegen lachte, als hätte er verstanden, was ich meinte.
    »Richtig«, sagte er trocken, was alles heißen konnte. Sigurd sah aus, als wolle er noch etwas zu dem Thema sagen, doch dann schluckte er und schwieg. Er konnte nicht abstreiten, dass meine Vermutung richtig war, und vermied es, mich anzusehen.
    Dann packte Wladimir Krähenbein an beiden Handgelenken, und sie sahen sich an wie zwei Brüder, die sich verloren und wiedergefunden hatten, und mir kamen Zweifel, ob es Wladimir wirklich nur um den Silberschatz und um das Schwert ging, das uns den Weg

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