Drachenbraut
dafür. Jetzt schlug ihr das Herz bis zum Hals und sie spürte ihre eigene Aufregung wie einen ganzen Schwarm Bienen im Kopf.
Hornet war ihnen bis zur letzten Weggabelung gefolgt, dort blieb er zurück, um auf sie zu warten.
Nach wenigen Minuten erreichten sie eine Lichtung, weiter oben auf dem Berg. Dichte, haushohe Bäume säumten den Platz, der von schwarzen Felsen umgeben war. Sie betrat die Waldlichtung, blieb aber in respektvollem Abstand zu dem Kreis aus Steinen stehen, als die Wolkendecke aufriss und der Mond den Ort in ein fahles, kühles Licht tauchte.
Valentin war wortlos in die Mitte des von Bäumen und Felsen gesäumten Kreises getreten. Er stand dort bewegungslos, die Augen geschlossen, das markante Gesicht zum Himmel gehoben. Sie beobachtete ihn eine Weile, während sich seine Gesichtszüge langsam glätteten. Dieser Ort schien ihm sehr vertraut zu sein. Wenige Atemzüge später veränderte sich fast unmerklich seine gespannte Körperhaltung, er schien in die Stille zu lauschen, als er sich langsam auf die Knie sinken ließ, sich entspannte.
Schlagartig und ohne Vorwarnung griff eine uralte Erkenntnis nach ihr.
Sie wusste, wo sie war.
Diese Einsicht ließ sie nach Luft schnappen. Einen Herzschlag später begriff sie, was die ganze Zeit schon da gewesen war, was sie einfach noch nicht gespürt hatte: Die Magie des Ortes umschmeichelte ihren Körper und hieß sie auf fast liebevolle Art willkommen.
Sie stand wie angewurzelt da, atmete wieder und wieder tief ein, um alles aufzunehmen. Zuhause , schoss es ihr durch den Kopf, und eine tiefe Stille breitete sich in ihrer sonst so unruhigen Seele aus.
Auch wenn ihre Gabe einen magischen Ursprung hatte, war sie niemals zuvor echter Magie begegnet. Dies war keine von Menschen genutzte Magie, dies war freie, wilde, unbändige Magie, wie sie wohl nur einem solchen Ort innewohnen konnte. Sie schloss die Augen und ließ sich von dem farbigen Strudel der Sinneseindrücke mitreißen. Schmeckte die Freiheit und Unabhängigkeit dieser Macht auf ihrer Zunge, lauschte ihrem leisen Klingen, das plötzlich über der Lichtung zu hängen schien.
Als sie die Augen wieder öffnete, stand Valentin direkt vor ihr. Auf seinen sonst so kontrollierten Zügen zeigte sich etwas, was fast ebenso wild wie diese Magie war. Ohne nachzudenken, aus einem übermächtigen Impuls heraus, hob sie die Hand und legte sie ihm auf die Brust. Genau dieser Impuls war es auch, der es zuließ, dass seine Macht sie flutete.
Ihre Gabe erwachte zum Leben. Ihre Handflächen fingen heftig zu pulsieren an. Seine heiße Haut brannte wie ein Feuer in ihrer Wahrnehmung. Rau und samtig zugleich.
Wieder verschlug es ihr für einen Moment den Atem. Denn er war es. Er war es, der sie in ihren Träumen auf starken Schwingen in die Höhe trug. Es gab keinen Zweifel mehr, sie war am richtigen Ort. Gemeinsam mit ihm. Ihrem Drachen.
Die Farbe seiner Augen veränderte sich. Ganz vorsichtig hob sich seine rechte Hand und seine Finger schwebten wenige Millimeter vor ihrer Wange, als habe er Sorge, ob sie einer Berührung zustimmen würde. Sie drehte ganz leicht den Kopf, bis ihr Gesicht seine ausgestreckten Finger berührte.
Sein Lächeln war vorsichtig, als müsse er es erst suchen und behutsam ausprobieren. Aber es vermochte eine unglaubliche Veränderung in seinem so ernsten Gesicht herbeizuführen. Das Lächeln machte ihn zu einem Menschen.
Eine Unzahl an Emotionen huschte durch sie hindurch. Wieder war sie da, diese direkte Verbindung ihrer beider Seelen. Gefühle fluteten sie, seine Gefühle, sorgsam verborgen vor der Welt. Verborgen, aber niemals abgetötet.
Einen Herzschlag später spürte sie das endgültige Erwachen der Magie dieses Ortes, als habe sie nur auf sie beide gewartet.
«Bereit?»
Seine Stimme war dunkel.
Sie nickte langsam. «Bereit.»
Er ging in einer einzigen fließenden Bewegung vor ihr auf die Knie. Sie folgte ihm. Seine tiefe Stimme murmelte fremde Worte, seine gelbgrünen Augen ruhten weiterhin fest auf ihr. Zeit und Raum verloren ihre Bedeutung. Sie gingen auf in seinen leisen Worten und der kraftvollen Magie.
Valentin löste sich sanft von ihr und hatte im nächsten Moment ein matt schwarzes Jagdmesser in den Händen. Als er sich die Klinge fest über die linke Handfläche zog, zuckte sie unwillkürlich kurz zusammen.
Blut war eines der stärksten Siegel in der Magie, eine unauslöschbare Signatur. Das rote Rinnsal, das sich seinen Weg über sein Handgelenk suchte,
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