Drachenelfen
Liebe. Was für eine Armee«, wiederholte er, lauter als zuvor und
lachte in sich hinein.
Xar führte häufig Selbstgespräche. Er war oft
allein, denn die Patryn sind eine Nation von Einzelgängern. 9 Er führte also Selbstgespräche, aber
das Altmännerkichern war Täuschung, Verstellung.
Der Fürst des Nexus spielte Komödie, für ein bis
jetzt nur erahntes Publikum. Unauffällig senkte er den Blick auf seinen
Handrücken. Die Haut, runzlig, altersdünn 10 ,
spannte sich über scharf hervortretenden Sehnen und Knochen, aber das Blau der
eintätowierten Runen – mochten sie auch höckerig und knotig geworden sein – war
noch frisch, nicht verblaßt im Lauf der vielen Jahre und die ihnen innewohnende
Magie womöglich noch stärker.
Jetzt glommen diese Runen hell.
Im Labyrinth hätte Xar mit einer solchen Warnung
gerechnet, wenn seine Zauberkräfte bereit waren, ihn vor einem Angriff zu
schützen, auf eine Gefahr aufmerksam zu machen. Doch er befand sich im Nexus,
in seinem Reich, in Sicherheit!
Von unguten Ahnungen erfüllt, setzte er seinen
Weg fort, als wäre nichts, und redete halblaut vor sich hin. Die Warnung wurde
dringender, er fühlte die Sigel auf seiner Haut brennen, die Magie durch seine
Adern kreisen. Verborgen in den weiten Ärmeln seines langen schwarzen
Gewandes, ballte er die Hände zu Fäusten.
Schließlich bog er von der Straße ab und folgte
einem schmalen Pfad durch die Forste, inmitten derer seine Residenz lag. Er
bedurfte solcher Abgeschiedenheit und Ruhe, schöpfte daraus neue Kraft. Unter
den Bäumen herrschte beinahe nächtliches Dunkel. Er betrachtete seine Hand, der
Glanz der Runen drang durch den schwarzen Stoff. Statt daß er die Gefahr hinter
sich gelassen hatte, ging er stracks darauf zu.
Xar empfand eher Verwunderung als Besorgnis,
eher Zorn als Furcht. War etwas von dem Bösen aus dem Labyrinth durch das
letzte Tor gesickert? Unwahrscheinlich. Sartanmagie hatte diesen Ort
erschaffen, das Tor und die Mauer um das Ghetto. Die Patryn, nicht unbedingt
geneigt, einem Feind zu vertrauen, der sie in eben diesem Ghetto eingekerkert
ihrem Schicksal überlassen hatte, befestigten Mauer und Tor zusätzlich mit
ihrer eigenen Magie. Nein. Unmöglich, daß irgendetwas hatte entkommen können.
Die einzige Verbindung zwischen dem Nexus und
den anderen Welten – der Sartan und Nichtigen – war das Todestor. Solange das
Todestor geschlossen blieb, konnte niemand hindurchgelangen, der nicht das
erforderliche magische Wissen besaß. Xar hatte es sich durch lange, mühsame
Studien von Sartanschriften angeeignet und gab es weiter an Haplo, den er als
Kundschafter in die vier Reiche sandte.
»Aber wenn«, überlegte Xar halblaut, während er
mit Blicken das Dunkel zu durchdringen suchte, das auf einmal nicht mehr
friedvoll wirkte, sondern bedrohlich, »aber wenn das Todestor nun geöffnet
würde! Als ich aus dem Labyrinth kam – etwas war anders, als wehte ein
Lufthauch durch lang verschlossene Räume. Ich frage mich…«
»Respekt, Xar, Fürst der Patryn«, ertönte eine
Stimme aus den Schatten. »Euer Verstand ist scharf, Eure Logik unfehlbar. Ihr
habt recht – das Todestor wurde geöffnet. Und von Euren Feinden.«
Xar blieb stehen. Er konnte den Sprecher nicht
erkennen, in der tiefen Dunkelheit unter den Bäumen, doch er sah Augen,
erfüllt von einem seltsamen roten Licht, als reflektierten sie den flackernden
Schein eines Feuers. Seine Magie warnte ihn, daß der Fremde über große Macht
verfügte und gefährlich sein mochte, doch aus der kultivierten Stimme war kein
Unterton von Drohung oder Feindseligkeit herauszuhören. Die Worte klangen
respektvoll, beinahe ehrerbietig und schienen aufrichtig gemeint zu sein.
Trotzdem blieb Xar auf der Hut. Er war im
Labyrinth nicht deshalb am Leben geblieben, weil er sich von schmeichelnden
Stimmen betören ließ. Und dieser Fremde hatte bereits einen schwerwiegenden
Fehler begangen. Er war – irgendwie – in den Kopf des Fürsten eingedrungen und
las seine Gedanken. Xars leise Worte konnten unmöglich bis zu der Stelle
gedrungen sein, wo er stand.
»Ihr seid mir gegenüber im Vorteil, Sir«, meinte
Xar gelassen. »Kommt näher, damit meine alten Augen Euch erblicken.«
Seine Augen waren scharf, schärfer als in jungen
Jahren, denn jetzt wußten sie, wonach sie ausschauen sollten. Auch sein Gehör
war ausgezeichnet, aber weder das eine noch das andere brauchte der Fremde zu
wissen. Sollte
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