Drachenelfen
Niederreich tobten. Die
schützenden Glyphen, die während des Transits durch das Todestor nur schwach
geleuchtet hatten, flammten in strahlendem Blau, als der erste Windstoß das
Schiff traf. Blitze zuckten ohne Unterbrechung, Donner krachte, die Himmelsstürmer schlingerte in den heftigen Böen. Hagel prasselte gegen die hölzerne
Bordwand, Regen peitschte gegen die Bugfenster, überzog sie mit einem
irisierenden Wasserschleier, der die Sicht nach draußen unmöglich machte.
Haplo verlangsamte die Fahrt, bis das Schiff
nahezu bewegungslos in der Luft hing. Während seines Aufenthalts auf Drevlin –
die Hauptinsel des Niederreichs – hatte er gelernt, daß die Stürme zyklisch
auftraten. Er brauchte nur abzuwarten, bis dieser abflaute, dann folgte eine
Periode verhältnismäßig ruhigen Wetters bis zum nächsten Orkan. Die Pause
wollte er nutzen, um einen Landeplatz zu finden und mit den Zwergen Verbindung
aufzunehmen.
Haplo überlegte, ob er Gram schlafen lassen
sollte, entschloß sich aber, ihn zu wecken. Er konnte sich ebensogut nützlich
machen. Eine rasche Handbewegung löschte die Rune aus, die Haplo auf die Stirn
des Kindes gezeichnet hatte.
Gram setzte sich auf, blinzelte verschlafen und
schaute Haplo vorwurfsvoll an. »Du hast mich verzaubert, damit ich
einschlafe.«
Haplo sah keinen Grund, seine Handlungsweise zu
bestätigen, zu kommentieren oder zu rechtfertigen. Während er versuchte,
durch den Regenvorhang etwas zu erkennen, würdigte er den Jungen nur eines
flüchtigen Blicks.
»Geh durchs Schiff und sieh nach, ob
irgendwelche Lecks oder Risse in der Hülle sind.«
Gram errötete vor Zorn über den beiläufigen,
befehlenden Ton. Haplo bemerkte, wie die rote Flut vom Hals her in die blassen
Wangen stieg. Die blauen Augen blitzten aufsässig. Fürst Xar hatte einigen
Erfolg darin gehabt, Grams Temperament zu bändigen, aber der Junge war als
Kronprinz am königlichen Hof aufgewachsen und daran gewöhnt, Befehle zu
erteilen, nicht, welche entgegenzunehmen.
Schon gar nicht von Haplo.
»Wenn du alles richtig gemacht hast, gibt es
keine Risse«, sagte Gram schnippisch.
Na gut, warum nicht jetzt gleich klären, wer das
Sagen hat, dachte Haplo. Er schaute wieder aus dem Fenster, um hoffentlich
Anzeichen dafür zu entdecken, daß die Wut des Sturms nachzulassen begann.
»Ich habe alles richtig gemacht, aber du
solltest gelernt haben, wie empfindlich die Balance eines Runengefüges ist.
Aus einem winzigen Spalt könnte ein Riß entstehen, der schließlich dazu führt,
daß das ganze Schiff auseinanderbricht. Es ist klüger, jetzt nachzusehen,
bevor es Schwierigkeiten gibt.«
Ein kurzes Schweigen; vermutlich kämpfte Gram
mit sich.
»Kann ich den Hund mitnehmen?« fragte er dann
lustlos.
Haplo machte eine großzügige Handbewegung. »Sicher.«
Die Miene des Jungen hellte sich auf. »Darf ich
ihm eine Wurst geben?«
Kaum vernahm er sein Lieblingswort, sprang der
Hund auf, hechelte erwartungsvoll und wedelte mit dem Schwanz.
»Nur eine«, mahnte Haplo. »Ich weiß nicht, wie
lange dieser Sturm noch anhält. Unter Umständen müssen wir unsere Würste selbst
verspeisen.«
»Du kannst ja neue herzaubern«, meinte Gram vergnügt.
»Hund, komm mit.«
Die beiden verschwanden im Gang zum Heck des
Schiffes.
Haplo sah den Regen am Fenster niederrinnen und
dachte daran zurück, wie er den Jungen in den Nexus gebracht hatte…
»Er heißt Gram, Fürst«, sagte Haplo. »Ich weiß«,
fügte er hinzu, als Xar die Stirn runzelte, »es ist ein merkwürdiger Name für
ein Menschenkind, aber wenn Ihr erst seine Geschichte kennt, werdet Ihr
verstehen. Ihr findet einen Bericht hier, in meinen Aufzeichnungen.«
Xar hielt das Logbuch in der Hand, schaute aber
nicht hinein. Haplo wartete in respektvollem Schweigen, daß sein Fürst sich
äußerte. Die nächste Frage kam nicht gänzlich unerwartet.
»Ich hatte dich gebeten, Haplo, mir einen
Schüler von dieser Welt zu bringen. Arianus ist – nach deiner Schilderung –
eine Welt im Chaos: Elfen, Zwerge, Menschen, die sich gegenseitig bekriegen;
die Elfen bekämpfen sich untereinander. Es herrscht ein bedenklicher
Wassermangel, weil das Vorhaben der Sartan gescheitert ist, die schwebenden
Inseln auszurichten und ihre phantastische Maschine in Gang zu setzen. Ich
werde einen Statthalter brauchen, am besten einen von den Nichtigen, der nach Arianus
geht und in meinem Namen die Herrschaft der Patryn errichtet,
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