Drachenelfen
einer Ewigkeit war ein Geräusch zu hören, das an splitternde Ãste erinnerte.
»Ob er wohl wieder frisst?«, flüsterte Nyr.
»Na, er wird wohl keinen Baum fällen.«
Wieder schwiegen sie und lauschten auf die beunruhigenden Geräusche von der anderen Seite des Tals.
»Ob sie es wohl merken, wenn man sie über einen Spiegel ansieht?«
»Wie meinst du das?«
»Na, wenn man einen Spiegel im richtigen Winkel aufstellt, könnte man darin den Drachen beobachten, ohne ihn direkt anzusehen. Vielleicht spürt er dann ja nicht, dass er beobachtet wird.«
»Und wenn sich ein Sonnenstrahl im Spiegel bricht, sind wir tot.«
»Ist wohl anzunehmen«, murmelte Nyr nachdenklich. »Warum muss es ausgerechnet dieser Drache sein? Können wir uns nicht irgendeinen netten Wasserdrachen schnappen? Oder eine ausgewachsene Silberschwinge?«
»Weil das der einzige Drache ist, den ich kenne, der immer wieder an denselben Ort kommt. Normalerweise fressen sie da, wo sie ihr Jagdwild zur Strecke bringen. Sie müssen sich ja nicht vor anderen Jägern fürchten. Aber dieser da ist etwas ganz Besonderes. Vielleicht ist er verrückt? Er sieht ja auch ein wenig seltsam aus.«
Nyr nickte. »Ja, erinnert an eine riesige Hornisse, so schwarzgelb. Das Mistviech sieht gefährlich aus. Ich mag Hornissen schon nicht. Und der ⦠Wir müssen auch näher ran, wenn wir ihn erlegen wollen. Fünfhundert Schritt, das ist einfach zu weit.«
»Also bist du dabei.« Galar versuchte beiläufig zu klingen. »Ich würde nur ungern einen anderen Schützen â¦Â«
»Du wirst keinen anderen finden, der verrückt genug ist, sich mit einem Sonnendrachen anzulegen.« Nyr zog die Rechte unter seiner Nase durch und eine Spur grüner Rotz blieb auf seinem Fäustling zurück.
»Du wirst der berühmteste Schütze der Bergkönigreiche sein.«
»Wahrscheinlich eher der toteste.«
»Du erinnerst dich an den Blodmarkt? Oder an das Massaker von Berghem? Wie lange sollen wir noch der Willkür der Drachen ausgeliefert bleiben? Wie tief müssen wir uns unter den Bergen verstecken, um vor ihnen in Sicherheit zu sein? Wie lange sollen wir vor ihnen fortlaufen? Wir müssen die Magie meistern, wenn wir uns ihnen stellen wollen. Und wir müssen Waffen besitzen, die selbst Drachen fürchten. Mit Mut allein werden wir ihnen nicht beikommen.«
Nyr stieà einen knurrenden Laut aus, dem nicht anzuhören war, ob er Zustimmung oder Ablehnung bedeutete.
»Hornbori wird alles besorgen, was wir brauchen. Besten Stahl, wie ihn selbst die Elfen nicht herzustellen vermögen. Daraus werden wir die Bögen der neuen Speerschleudern schmieden. Wir werden von allem das Beste bekommen. Das ist der Segen, Hornbori auf unserer Seite zu haben. Sein Einfluss wächst mit jedem Tag.«
»Und welchen Preis hat seine Hilfe?«
»Wir werden ihn auf die nächste Drachenjagd mitnehmen müssen.«
Nyr lächelte. »Drei Tage wie hier und wir können den SchleimscheiÃer begraben. Dem frieren hier doch in einer Stunde die Eier ab. Der hält doch nichts aus, der Schwafelkopf. Dann sind wir ihn wenigstens los.«
»Vielleicht ist er härter, als du denkst. Ich glaube, er hat sich tatsächlich in den Kopf gesetzt, Bergkönig zu werden. Und er kann die Leute besoffen quatschen. Vielleicht wird er es schaffen.«
Nyr schien wenig überzeugt zu sein. »Und wir verhelfen so einem Kerl zur Macht? Ist das wirklich klug?«
Galar blickte auf den groÃen, gestreiften Drachen. Wieder hörte man über das Tal hinweg einen der starken Knochen des Auerochsen zersplittern. »Wir müssen uns von den Drachen befreien. Und von ihren Sklaven, den Elfen. Wenn der Preis dafür ist, Hornbori zum Bergkönig aufsteigen zu sehen, dann müssen wir ihn eben zahlen. Könige stürzen mitunter auch wieder.«
DIE GESCHICHTE DER GEFALLENEN GÃTTIN ANATU
»Es war in der Finsternis des Nichts, dass sie einander begegneten, der Drache und die Kriegerin. Einmal in tausend Jahren mag es geschehen, dass zwei einander auf einem der unzähligen Pfade aus Licht gegenüberstehen. Der Drache war groà wie ein Berg, die Kriegerin eine Göttin. Ein Jahr lang beobachteten sie einander, angespannt, bereit zum Angriff. Doch keiner wollte den ersten Hieb führen. Und endlich war es der Drache, der sprach: Du bist von Stolz, Mut und
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