Drachenelfen
Bänder wanden sich um die Glieder wie Fesseln, als sollten sie die kauernde Gestalt daran hindern, sich aufzurichten.
Eine weite Treppe führte hinauf zu der Statue. Merkwürdige Kugeln schmückten die Treppenabsätze. Das Abendrot vermischte sich mit dem blauen Licht, das auf unnatürliche Weise aus den Felsen sickerte. Es war ein beklemmender Ort, nicht für Menschen geschaffen.
Entschlossen trat er aus der Klamm. Auch hier lagen überall Leichen, doch diese waren nicht skelettiert, sondern wirkten ausgetrocknet â wie Tote, die man in der Wüste fand, wo niemals Wasser fiel. Manche mussten vor Jahrhunderten gekommen sein. Er entdeckte Speere mit Steinspitzen. Zwei Krieger trugen Röcke aus zotteligem Schafsfell. Bänder aus verblichenem Rot hielten ihre hochgesteckten Frisuren.
Knöchellange Lederumhänge, mit runden Bronzeplatten geschmückt, lagen wie Leichentücher auf einigen Toten, deren lederne Helme nun fast dieselbe Farbe wie ihre verschrumpelten Gesichter zeigten. Aus der Brust eines Toten ragte ein abgebrochener Speerschaft. Auch hier war gekämpft worden, ebenso wie bei dem Lagerplatz am Bach, den Juba entdeckt hatte.
Am Fuà der Treppe kauerte eine Gestalt in vertrauten Gewändern. Ein Krieger, ganz ähnlich den Männern in seiner Leibwache. Er schien den Kopf in die Hände zu stützen. Auf seinem Kopf saà ein spitz zulaufender Helm.
Die vertraute Erscheinung flöÃte Artax Mut ein. Er bahnte sich seinen Weg zwischen den Toten. Das Tal schien viel lang gestreckter zu sein, als es am Ausgang der Klamm den Anschein erweckt hatte. Oder verlangsamte etwas seine Bewegung?
Jedes Mal, wenn er zu der bizarren Statue aufblickte, fühlte er sich klein und unbedeutend.
Endlich erreichte er die Treppe. Der Krieger dort hatte sich sein Schwert durch die Kehle gestoÃen. Artax blickte auf die Waffe in seiner Hand. Hastig stieà er sie in die Scheide zurück. Das Klirren hallte unnatürlich laut von den Felswänden wider.
Die Stufen der Treppe waren ungewöhnlich, fast drei Mal so hoch, wie es üblich war. Für wen war dieser Ort geschaffen worden? Nicht für Menschen! Wie gut, dass wir Unsterbliche sind, was?, dachte er, an Aaron gewandt. Das mit der Unsterblichkeit war zwar gelogen, aber immerhin hatten sie eine magische Rüstung und den Segen des Devanthar auf ihrer Seite. Und zum ersten Mal war Artax froh darüber, in gewisser Weise nicht allein zu
sein. Natürlich schwieg der Drecksack Aaron jetzt, aber das war egal. Was zählte, war das Wissen, nicht allein zu sein.
Mühsam kämpfte Artax sich bis zum ersten Absatz hinauf. Die Form der steinernen Kugel, die mitten auf den Treppenabsatz gestellt war, schien ihm vertraut. Sie stellte den groÃen, aufgedunsenen Leib eines Wolkensammlers dar. Seine Fangarme breiteten sich wie Wurzelwerk über den Treppenabsatz aus und erschwerten das Gehen. Welcher Bildhauer hatte diese Kreaturen der Neuen Welt schon vor Jahrhunderten gekannt? Die Devanthar hatten den Menschenvölkern doch erst vor wenigen Jahrzehnten den Weg über den Goldenen Pfad gewiesen! Waren früher schon einmal Menschen in dieser fremden Welt gewesen? Artax sah zu der gewaltigen Statue auf. Was hatten diese ersten Menschen dort angetroffen?
Der Unsterbliche umrundete die Skulptur des Wolkensammlers und kämpfte sich weiter die Treppe hinauf. Zwischen den hageren Beinen der kauernden Riesenstatue klaffte eine dunkle Ãffnung. Jetzt, da Artax das Bildnis aus einem anderen Blickwinkel sah, entdeckte er neue, abschreckende Details. Das Geschöpf hatte keine FüÃe! Es kauerte auf Knochenstümpfen.
Wer verehrte einen gefesselten Gott ohne FüÃe?
Lass uns gehen!
Artax spürte Aarons Angst, aber er schüttelte den Kopf. Nein, dachte er. Noch nicht.
WeiÃt du etwas über diesen Ort?
Nur dass er ganz offensichtlich nicht für Menschen geschaffen wurde. Komm mir jetzt nicht mit einfältigen Gedanken über Unsterblichkeit. Was hast du hier verloren? Was haben wir hier verloren?
Wir. Na schau einer an, dachte Artax.
Es ist meine Aufgabe das Reich zu beschützen. Ich sollte â¦
Du wünschst dir, dass wir dich in Ruhe lassen. Wir werden uns mäÃigen, wenn du gehst. Aber tu es jetzt. Zögere nicht länger!
Das Angebot war verlockend. Trotzdem erklomm Artax die letzten Treppen. Er hatte sich Aaron so lange widersetzt, dass er
jetzt nicht einfach aufgeben konnte
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