Drachenelfen
säufst mir nicht ab! Haben wir uns verstanden? Ich habe hier das Kommando, und niemand verreckt, ohne dass ich es erlaube!«
Aus den Augenwinkeln sah sie zwei weitere Kobolde am Beckenrand, die ihre Haare gepackt hielten, als seien es Taue, mit denen man ein Boot ans Ufer zerrt. Nandalee lieà es geschehen.
Eine Ohrfeige klatschte in ihr Gesicht. »Hast du verstanden?«, keifte Sata.
Nandalee schaffte ein schwaches Nicken.
»Gut.« Sata kramte ein Fläschchen unter ihrem Kleid hervor. »Du trinkst das jetzt. Das treibt mir die Kälte aus den Gliedern, wenn ich Dienst auf dem vermaledeiten Pferdedeck habe. Das wird auch dich auftauen.«
Die Koboldin schob ihr den schlanken Flaschenhals zwischen die Lippen, und Nandalee hatte das Gefühl, als bekäme sie flüssiges Feuer eingeflöÃt. Tränen traten ihr in die Augen und ihre Kehle stand in Flammen, doch vom Magen an war das Gefühl angenehmer und eine wohlige Wärme begann sich in ihre Glieder auszubreiten.
»Gut, nicht wahr?«
Nandalee verdrehte ein wenig die Augen, und die Kobolde, die ihren Kopf an den Haaren hielten, kicherten.
»Du bist doch nicht etwa schon besoffen?« Sata nahm die Flasche wieder an sich und verkorkte sie.
»Mir geht es gut«, vernahm Nandalee ihre eigene Stimme und war erstaunt über den fremden Klang. Ihre Worte waren gedehnt und ein wenig verdreht. Sie fühlte sich schwindelig und müde. Doch jetzt war es eine angenehme Müdigkeit und nicht die völlige Erschöpfung, die vom Schlaf in den Tod führen konnte. Sie streckte sich. Ihre Glieder schmerzten.
Sata betrachtete sie und zupfte dabei an der Unterlippe. »Du solltest massiert werden. Das würde dir wahrscheinlich guttun. Aber Koboldfinger sind zu schwach, um dich ordentlich durchzuwalken. An Bord gibt es einen Kentauren ⦠Er arbeitet in der Küche. Dort schlachtet er und schneidet das Fleisch zu. Er ist recht kräftig gebaut.«
Nandalee wollte widersprechen, brachte aber nur ein Gähnen zustande. Die Vorstellung, von einem Metzger massiert zu werden, missfiel ihr. Und obendrein noch ein Kentaur. Ein Kentaur, der in einer Küche arbeitete ⦠Sie würde es sich sehr genau ansehen, wenn sie hier etwas zu essen bekommen sollte. Aber das war jetzt nicht wichtig. Sie verstand nicht, warum, aber sie lebte noch. Das war wichtig. Und sie war entsetzlich müde. Wieder musste sie gähnen. Jetzt war die Jagd zu Ende. Jetzt erst konnte sie ruhig schlafen. Alles andere konnte warten. Da war etwas, worüber sie beunruhigt sein sollte, dachte sie noch flüchtig. Dieser Ort ⦠Er war ⦠Aber dann übermannte sie der Schlaf.
U BER DEN WOLKEN
Sie glitten zwischen immer mehr dieser halb durchsichtigen Tentakel in die Höhe. Manche bewegten sich auf eine Art, die Artax an eine schluckende Kehle erinnerte, an anderen perlte eine weiÃliche Flüssigkeit hinab, die ihn auch an etwas erinnerte, das ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb. Ein gar nicht mal unangenehmer Geruch umfing sie, ein wenig wie Anis.
Artax war sich der Blicke bewusst, die auf ihm lasteten. Zweitausend Schritt. So tief war dieser Aaron gestürzt. Zu viel, selbst für einen Unsterblichen. Und doch schien es, als lebte dieser Aaron auf gewisse Art weiter. Wie ein Schmarotzer. Seine Erinnerungen, sein ganzes Leben, waren jetzt ihm ins Gedächtnis geschrieben. Wenn er sich darauf konzentrierte, konnte er es sehen. Es war wie ein Blick durch das Fenster eines verbotenen Palastes. Mit seiner Wirklichkeit hatte es nicht viel zu tun â und jetzt hatte er es nicht nur mit diesem Juba zu tun, sondern gleich mit einer ganzen Schiffsbesatzung. Einer Luft schiffsbesatzung! Artax wurden die Knie weich und er stützte sich auf Juba.
»Geht es Euch gut, Herr?«
»Mir ist nur ein wenig schwindelig.« Er mied es, über den Rand des Bootes aus Weidengeflecht zu blicken, das zwischen den Tentakeln immer weiter in den Himmel hinaufglitt.
In Jubas Blick lag mehr als nur Sorge. Er war sein Kriegsmeister, und sie hatten in etlichen Kämpfen Seite an Seite gefochten. Aaron hatte ihm bedingungslos vertraut. Zum Unsterblichen wurde man von den Devanthar erwählt. Keine Intrige vermochte einen auf den höchsten Thron zu bringen. Aaron hatte darauf vertraut, dass all seine Gefolgsleute an Bord bedingungslos loyal waren. Bis auf den Hohepriester. Was aber würde geschehen, wenn sie entdecken sollten, wer er
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