Drachenelfen
Stück von der WeiÃen Halle entfernt. Es war ein frostiger Morgen. Feiner Schneegriesel trieb mit dem Wind.
»Sieh mich nicht so an.« Gonvalon hatte das Gefühl, der Pegasus wusste, dass etwas mit ihm nicht stimmte.
»Er hat mehr Verstand als du«, sagte Lyvianne beiÃend.
»Dann ist es wohl gut, dass er bei mir ist, um auf mich aufzupassen. «
»Spricht da noch der Gonvalon, den ich einst kannte? Der beherrschte
Schwertmeister? Ewiger Rivale von Nodon? Immer gut für eine Affäre mit einer Schülerin? Selten humorvoll, doch meist stilsicher?«
»Dieser Gonvalon ist auf dem Hügel Matha Nahts geblieben.« Er sagte das ohne Bitternis. Es war eine Tatsache, mit der er sich in den letzten Wochen abzufinden gelernt hatte.
»Aber diese Reise â wohin soll sie führen? Du weiÃt nicht einmal, ob Nandalee noch lebt.«
»Ich bin zu Matha Naht gegangen, damit sie verhindert, dass die magische Verbindung zwischen Nandalee und Piep verblasst. Sie hat ihren Teil unseres Paktes erfüllt. Wenn ich meine Suche nicht fortsetze, dann war mein Opfer vergebens.«
»Man macht einen Fehler nicht ungeschehen, indem man den nächsten begeht«, entgegnete Lyvianne. In ihrer Stimme klang ein Hauch von Resignation.
»Ich würde wieder zu diesem bösartigen alten Holunderweib gehen, wenn ich dafür hoffen dürfte, Nandalee zu finden.«
»Ich weiÃ.«
Die Art, wie sie es sagte, berührte Gonvalon. Er hatte das absurde Gefühl, dass sie stolz auf ihn war, obwohl es dafür objektiv gesehen keinen Grund gab. Er war gerade dabei, eine Dummheit, die ihn für sein Leben gezeichnet hatte, durch eine noch gröÃere Dummheit zu übertrumpfen. Er konnte nicht einmal wirklich reiten. Mit einem Anflug von Selbstmitleid blickte er zum Geschirr, das auf den Rücken von Nachtschwinge geschnallt war. Ãblicherweise gab es nur einen flachen Sattel, in den Lederschlaufen eingelassen waren, damit der Reiter stehen konnte und seine Beine nicht den Flügelschlag des Pegasus behinderten, doch sein neuer Sattel war ganz anders. Zwei Holzstangen ragten über der Kuppe des Hengstes auf. Dünne Lederriemen waren dazwischen gespannt, sodass die ganze Konstruktion an eine lange, schmale Stuhllehne erinnerte. Und genau das war ihr Zweck. Er musste stehen während des Fluges. Oder kauern. Beides ging nicht, wenn man seinen Beinen nicht mehr vertraute. Sie nicht mehr fühlte!
Sosehr er sich bemüht hatte, er war ein Krüppel. Er bewegte sich unsicher. Er strauchelte leicht, selbst wenn er Krücken benutzte. Ihm war klar, dass es nur eine Illusion war und dass seine Beine nicht unterhalb der Knie zerfleischt waren. Sie waren vollkommen gesund. Aber seine Wahrnehmung war es nicht mehr! Er konnte es einfach nicht beherrschen, sosehr es auch versuchte. Also musste er sich während des Fluges zurücklehnen können. Er brauchte Halt. Eine Krücke, selbst im Sattel!
»Du nimmst wenig Proviant mit«, bemerkte Lyvianne.
»Die Reise wird nicht sehr lange dauern.«
»Du weiÃt also, wohin dich diese rote Kraftlinie führen wird?«
Er nickte. »Sagen wir es so â ich habe einen Verdacht.«
Lyvianne hob fragend eine Braue, doch er ignorierte es. Sosehr sie sich auch um ihn bemüht hatte, in dieser Angelegenheit konnte er ihr nicht trauen. Er vertraute niemandem in der WeiÃen Halle.
Für Gonvalon lag es auf der Hand, dass Nandalee sich â wenn sie noch lebte â bei einer der Himmelsschlangen befinden musste. Wer durch das Fenster trat, gelangte zu einem der groÃen Drachen. So war es immer gewesen. Das musste zwar nicht stimmen, wenn sich das Fenster durch einen unglücklichen Zufall geöffnet hatte â aber daran wollte Gonvalon nicht glauben. Je länger er darüber nachgedacht hatte, desto mehr war er zu der Ãberzeugung gelangt, dass eine der Himmelsschlangen Nandalee zu sich gerufen hatte. Nur die Regenbogenschlangen hatten die Macht, dieses Fenster zu öffnen. Es war naiv zu glauben, dass Nandalee es allein getan hatte! Und Gonvalon hatte auch eine ganz bestimmte Himmelsschlange in Verdacht.
»Du willst mir nicht sagen, wohin du reisen wirst?«
»Ich danke dir dafür, wie du mir in den vergangenen Wochen geholfen hast.« Lyvianne hatte unzählige Stunden mit ihm verbracht. Aber er traute ihr nicht. Er wusste nicht einmal sicher, welcher der Himmelsschlangen sie sich verschrieben
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