Drachenelfen
Hauptmann der Wachen auf diesem Hof. Du solltest dich darauf einlassen, Fremder. Mit den Mauern ist hier auch die Ordnung aus den Fugen geraten, wie du gesehen hast. Du und deine Töchter, ihr braucht Schutz. Es wäre klug, das Handelshaus nicht zu verlassen. Man erwartet hier die Ankunft mehrerer Wolkenschiffe. Auf einem
von ihnen werdet ihr sicher Platz finden. Sie tragen euch in die Goldene Stadt. Von dort ist es nur noch ein kurzer Weg an den Hof des unsterblichen Muwatta, wo du dem Hüter der Feuer von deinen Funden berichten kannst.« Ein ironisches Lächeln begleitete die Worte Zurus, so als glaube er nicht, dass er in Diensten des Hofes stand.
Gonvalon erwiderte das Lächeln und legte, von seinem Umhang verdeckt, vier kleine Goldbrocken auf den Deckel eines nahe stehenden Fasses. Ihm war klar, dass man sie beide beobachtete und es die seltsamen Gebräuche der Luwier nicht gestatteten, dass ein Fremder einen Angehörigen vom Stand der Krieger berührte.
Der Menschensohn wirkte überrascht. Dann nickte er und nahm das Gold. »Ich bin davon überzeugt, dass du und deine beiden Töchter eines der wenigen Gastzimmer des Handelshauses bekommen werden.« Mit diesen Worten ging er zum Befehlshaber der Wachen zurück. Gonvalon aber wandte sich an Nandalee. Er hatte nicht vergessen, wie sie mit dem Priester in luwischer Sprache gesprochen hatte. Er dachte an die Warnung des Schwebenden Meisters, der ihm dringend empfohlen hatte, sie bei der ersten Gelegenheit zu töten. Sie steckte voller unbekannter, ungezügelter Kräfte. Sie war eine Gefahr für jeden in ihrer Nähe. Doch obwohl ihm all das nur zu bewusst war, würde er niemals die Hand gegen sie erheben. Jetzt aber fühlte er sich von ihr hintergangen. War sie am Ende vielleicht viel besser über die Ziele dieser Mission unterrichtet als er? Offensichtlich war sie ja besser vorbereitet.
Nachdenklich strich Gonvalon über den Knauf seines Schwertes. Dass er auf Befehl des Dunklen hier war, bedeutete, dass er seinen Meister, den Goldenen, verriet. Drachenelfen dienten immer nur einem Herrn. Manchmal wurden sie verliehen, doch das geschah nur selten. Allein die Entscheidung zu treffen, sich in den Dienst einer anderen Himmelsschlange zu stellen, war ihnen nicht erlaubt. Und doch war er hier, um ihr nahe zu sein. Weil er
es nach all den Monden der Trennung nicht hätte ertragen können, sie schon wieder zu verlieren und sie, nur begleitet von Bidayn, auf eine so gefährliche Mission ziehen zu lassen.
»Nandalee, wir haben zu reden!« Kurz blickte er zu Bidayn. »Du bleibst hier!«
Zuru und der Befehlshaber auf diesem Hof tuschelten miteinander und sahen immer wieder zu ihnen herüber. Niemand unternahm Anstalten, sie zu dem versprochenen Zimmer zu bringen, und Gonvalon war bewusst, dass es vernünftig wäre, mit seiner Aussprache bis zur Nacht zu warten â bis sie allein miteinander waren. Aber er war zu wütend. Er musste jetzt mit ihr reden!
»Warum beherrschst du ihre Sprache?«, fuhr er sie auf Elfisch an. Für die Krieger auf dem Hof waren sie einfältige Hinterwäldler aus dem fernen Garagum! Niemand würde sich wundern, wenn man kein Wort von dem verstand, was über ihre Lippen kam.
Nandalee wirkte verlegen und dann plötzlich halsstarrig. »Ich beherrsche nicht nur die Hochsprache Luwiens, ich beherrsche auch noch die Sprache Arams und drei der häufigsten Dialekte, die man in beiden Reichen spricht, denn ich bin schon seit Jahrzehnten gezwungen, diesen Wilden zuzuhören.«
Gonvalon war immer der Ãberzeugung gewesen, dass er nicht leicht aus der Fassung zu bringen war. Jetzt aber starrte er sie fassungslos an. Nandalees Tonfall lieà keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie ernst meinte, was sie sagte. Nur etwas an ihrer Stimme klang falsch. Ja, fremd.
»Warum seid ihr hier?«, wollte sie wissen.
»Wovon redest du, Nandalee?«
»Was wollt ihr auf Nangog? Dieses Mädchen will es mir nicht verraten. Ich vermag nur einige sehr oberflächliche Gedanken von ihr zu erhaschen. Meistens geht es um Gewalt oder darum, dass sie sich danach sehnt, dich zu küssen. Alles andere bleibt vor mir verborgen. Also sag du mir, weshalb ihr gekommen seid.« Sie sprach mit beängstigender Ernsthaftigkeit.
Nein â sie redete irr! Sie sprach von sich in der dritten Person!
Was bei den Alben ging mit ihr vor? Hatte Nangog ihren Verstand verwirrt?
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