Drachenelfen
Vielleicht hatte er gestern Nacht schon den einen oder anderen gezeugt?
Ja, dachte er, er sollte sich ein anderes Ziel suchen. Sein Vater hatte ihn immer ermahnt, wie wichtig es im Leben war, Ziele zu haben. Ohne Ziel wurde man hin und her getrieben und am Ende des Lebens hatte man gar nichts erreicht. Hatte man sich aber ein Ziel gewählt und hielt verbissen daran fest, dann spannte sich eine für andere unsichtbare Schnur durch das Leben. Eine Rettungsleine, an die man sich bei jedem Sturm klammern konnte. Nur solch ein Leben verdiente Anerkennung!
Er richtete sich auf und trat noch einmal ans Fenster. Das Licht über den Wolken war so klar, dass es in den Augen schmerzte, obwohl seine Kopfschmerzen nun verflogen waren. Was war ein angemessenes Ziel für einen Mann, der in einem fliegenden Palast hoch über den Wolken schwebte?
Noch immer erschöpft, lehnte er sich gegen die bronzegefassten Scheiben. Sie knirschten leicht unter seinem Gewicht. Er blieb dennoch stehen. War er lebensmüde? Was der Löwenhäuptige wohl sagen würde, wenn ihm binnen vierundzwanzig Stunden ein zweiter Unsterblicher aus dem Himmel fiel? Artax lachte kurz auf.
Die Rothaarige räkelte sich lasziv und blinzelte zu ihm hoch. Er wäre jede Wette eingegangen, dass sie schon vorher wach gewesen war. Ihre Haare mochten echt sein â alles andere war es nicht. Die Stimme in seinem Kopf hatte wohl recht.
»Liebst du mich?«, fragte er aus einer Laune heraus.
»Ich vergöttere dich.« Sie sagte das voller Leidenschaft und sah ihn mit einem Blick an, der direkt nach seinem Herzen griff. Ihm wurde heiÃ.
Ihr Blick wanderte tiefer. Ihr Lächeln wurde breiter. »Wie ich sehe, bin ich dir auch nicht ganz gleichgültig.«
Die Worte waren kaum über ihre Lippen, da begannen auch die beiden anderen sich zu regen. Die Erinnerung kehrte zurück! Die Rothaarige hieà Schaptu. Und ihre Freundin Aya. Aber die dritte, die mit der dunklen Haut und dem gelockten Haar ⦠Ihren Namen hatte die Nacht verschlungen. Sie alle lächelten auf eine Art, die ihm den Atem stocken lieÃ. Artax fühlte sich nicht im Geringsten wie ein Liebhaber. Er hatte das Gefühl, Beute zu sein. »Der Löwenhäuptige erwartet mich«, sagte er barsch, griff nach einem Laken und wickelte es sich um die Hüften. Er musste aus dem Schlafgemach heraus. Schnell! Und er musste ein Ziel finden, sonst würde er für immer ein Verlorener sein.
War nicht alles genau so, wie wir es dir vorhergesagt haben, Artax? Du kannst deinem Schicksal nicht davonlaufen. Du bist schon längst ein Verlorener. Und warte nur ab. Bevor dieser Tag vorüber ist, wird der Löwenhäuptige dich gegen einen Würdigeren austauschen. Gegen einen Mann mit Verstand, der es würdig ist, unsere Stimme zu hören. Geh zurück! Gib dich den Buhlen hin. Es wird das letzte Vergnügen in deinem jämmerlichen Leben sein, Bauer.
Artax war es leid. Wisst ihr was?, sagte er. Ihr könnt mich mal! Ihr seid nur noch Zuschauer. Ich aber lebe!
E IN GESCHÃPF VOLLER HARMONIE
Sich auf einem fliegenden Pegasus zu unterhalten war unmöglich. Der schneidende Wind raubte einem den Atem und riss jedes Wort davon, kaum dass es die Lippen verlassen hatte. Auch war sich Nandalee inzwischen sicher, dass Gonvalon nicht mit ihr sprechen wollte. Er war ohne seine Gefährtin zurückgekehrt. Wie hätte Ailyn auch überleben sollen, allein unter einem ganzen Heer von Trollen? Das war unmöglich. Die fremde Kriegerin hatte ihr Leben gegeben, um sie zu retten. Und Nandalee wusste
noch nicht einmal, wer bereit gewesen war, diesen Preis zu bezahlen. Wer hatte Gonvalon und Ailyn geschickt? Dienten sie den Drachen oder den Alben? Aus eigenem Antrieb waren sie ganz gewiss nicht gekommen.
Der Pegasus wieherte und stieà in steiler Kurve dem Boden entgegen. Vor Stunden hatten sie die Bergkette, über die sich der Königsstein erhob, passiert und waren weiter gen Südosten geflogen. Unter ihnen lag eine sanft gewellte Ebene, aus der sich vereinzelte Klippen erhoben. Es war ein grauer, bewölkter Wintertag. Nur einzelne Felsen durchbrachen das fahle Tuch des Winters, das über das Land gebreitet lag. Hier gab es keine Wälder. Die Landschaft war eintönig. Manchmal konnte man kleine Gruppen von Wollnashörnern oder Mammuts beobachten. Sonst regte sich nichts.
Nachtschwinge hielt auf einen Felsen zu, der wie eine Messerklinge
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