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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Liisho ihm darüber in den Traumgeschichten mitgeteilt hatte, die ihn all die Jahre über heimgesucht hatten, war recht nebulös gewesen. Das meiste davon war wie ein Strudel von wirren Erinnerungen, die bereits in Auflösung begriffen waren.
    „Du willst dich unter die Winterborger gemischt haben?“, fragte jedoch Bratlor, und sein Tonfall war nicht ohne Schärfe. „In jenen Jahren war ich nicht in Winterborg, sondern auf Reisen. Aber wenn damals ein Drachenier nach Winterborg gekommen wäre, so hätte man mir das noch Jahre später zweifellos erzählt. Und die Legendensänger des Kapitänsrats hätten darüber auf jeden Fall Lieder gedichtet. Was glaubst du, wie oft sich Fremde nach Winterland verirren? Schon das Eintreffen eines Schiffs aus Storgard, Witborg oder Borghorst ist ein Ereignis. Dass unsere Männer mit ihren Schiffen an ferne Küsten gelangen, kommt da schon häufiger vor – aber umgekehrt? Selbst das Heiligtum des Fjendur und diese Orakelhöhle sind außerhalb Winterlands kaum bekannt. Fjendur gilt im Rest des Seereichs nicht als ein Gott, der Njordir ebenbürtig ist!“
    Liisho nickte wissen. „Die Menschen dort wissen nun mal nicht, wie machtvoll und unerbittlich die Kälte sein kann“, erwiderte er. „Der Mensch neigt dazu, zu verehren, was er fürchtet. Aber wie auch immer - du bezichtigst mich der Lüge, aber das sei dir verziehen, weil du nur aus Besorgnis um Rajin so sprichst.“
    „Dessen kannst du sicher sein! Den Legendensängern mag es gestattet sein, die Taten der alten Helden auszuschmücken – aber dir nicht! Du bist Rajin die Wahrheit schuldig!“
    „Ich habe die Wahrheit gesprochen. Ich mischte mich tatsächlich unter die Einwohner Winterborgs. Menschen sehen zu lassen, was sie sehen wollen, ist eine der einfacheren Spielarten der Zauberei; dafür braucht man kein Magierblut in den Adern zu haben. Ich habe die Gabe, in der Menge nicht aufzufallen.“
    „Und deinen Drachen? Ich nehme doch an, dass du auf seinem Rücken gereist bist?“
    „Es war Nacht, und er war nicht mehr als ein Schatten.“
    „Die Nächte sind zumeist klar über Winterborg. Und wie stark die Monde in diesem Teil des Seereichs leuchten, ist dir wohl auch nicht verborgen geblieben.“ Der Sternenseher wandte sich Rajin zu. „Denkst du nicht, du wüsstest darüber Bescheid, hätte man in der Nacht, da man dich fand, einen Drachen gesehen?“
    „Wie du schon erwähntest", sagte Liisho, und diesmal klang er schon recht ungemütlich, "du warst damals nicht in Winterborg, und auch wenn man dich an der Sternenseherschule alles Mögliche an zauberischem Halbwissen gelehrt haben mag – ich bezweifle, dass du wirklich zu beurteilen vermagst, was geschah!“
    „Es ist weder Halbwissen noch Zaubererei, was man mich dort lehrte, sondern wahres Wissen!", entgegnete Bratlor heftig. "Man lehrte mich, der Logik des klaren Gedankens und dem Verstand zu vertrauen und mich nicht durch Vertreter des allgegenwärtigen Aberglaubens in die Irre führen zu lassen!“
    „Ach – und einen solchen siehst du in mir?“
    „Das muss sich noch erweisen. Aber ich bin nicht bereit, Lügen zu akzeptieren, selbst wenn du sie aus Rücksicht auf Bjonns – Rajins! – Gemüt erzählen magst", sagte Bratlor und fuhr dann fort: "Die Wahrheit ist doch die, dass du Rajin seinem Schicksal überlassen hast. Er war einer von fünf Prinzen, das hast du selbst gesagt. Einer wird schon überleben, hast du dir gedacht, und es war dir völlig gleichgültig, welcher von ihnen das sein würde und was den anderen widerfährt.“ Bratlor erhob sich. Er atmete tief durch, er war offenbar ziemlich erregt. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand deutete er auf den Weisen, doch seine nächsten Worte waren wieder an Rajin gerichtet. „Dieser Zauberer dort benutzt Menschen wie Spielfiguren im Drachenreiter-Schach, das ich in den Hafentavernen von Jandrakor kennenlernte. Bei diesem Spiel geht es darum, unwichtige Figuren für den Sieg zu opfern, den Gegner aber glauben zu machen, sie wären ungemein wichtig für die eigene Strategie und die nächsten Spielzüge. Sei auf der Hut, Bjonn. Ich fürchte, dass dieser angebliche Weise genau dies auch mit dir vorhat!“
    Mit diesen Worten verließ Bratlor Sternenseher die Höhle. Er wollte wohl einfach nicht mehr zusammen mit Liisho, den er für einen Lügner hielt, an einem Ort sein.
    Rajin sah ihm unschlüssig nach.
    „Draußen in der Kälte wird sich sein Gemüt schnell abkühlen", gab sich Liisho überzeugt.

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