DRACHENERDE - Die Trilogie
verwirrt.
„Wir werden uns das genauer ansehen“, entschied Rajin.
„Ansehen?“, fragte Ganjon.
„Ihr seht keinen Pfad, Hauptmann?“
„Nein.“
„Vergiss nicht, dass sein Geist der eines schwachen Menschen ist, den man leicht manipulieren kann“, vernahm Rajin die Gedankenstimme der Metallhand. „Noch dazu eines Menschen, dessen Blut nicht durch Barajans Erbe veredelt wurde.“
Aber diese herausgekehrte Hochmütigkeit konnte die tiefe Verunsicherung nicht verbergen, die das Wesen in Rajins Hand empfand, denn es hatte keine Ahnung, was für eine Art von Zauberei zur Tarnung des Weges angewandt worden war.
Vielleicht ist der Zauber nicht von dieser Welt, dachte Rajin.
„Das … wäre möglich.“
Rajin befahl den beiden Drachen, in der Nähe des Waldrands zu landen. Ganz in der Nähe schlängelte sich der Pfad, dessen weiteren Verlauf nur Rajin sehen konnte, auf den Wald zu. Doch als er Koraxxon und Ganjon auf diesen Umstand aufmerksam machte, sahen auch sie, dass der Weg weiter in den Wald hineinführte.
„Wie einen die Sinne doch täuschen können“, murmelte Ganjon, der mit Koraxxon und Rajin im Drachensattel sitzen blieb.
Und der Dreiarmige fragte: „Du glaubst, dass sich der Bleiche Einsiedler in diesem Waldstück verkriecht?“
„Wäre der Gedanke so abwegig?“, fragte der junge Kaiser zurück.
„Ganz und gar nicht. Schließlich habe ich mich ja selbst über Jahre hinweg in einem Wald verborgen, wie du weißt.“
„Was den Bleichen Einsiedler betrifft, sind es nicht nur Jahre, sondern vielleicht ganze Zeitalter“, sagte Rajin. „Immerhin verfügt er offenbar über eine besonders lange Lebensspanne, wenn er nicht sogar unsterblich ist. Die ganze Zeit über hat er sich in der Nähe des schwarzen Felsens und der Kathedrale des Heiligen Sheloo aufgehalten, also irgendwo hier in der Umgebung - daher denke ich, dass wir in diesem Wald nach ihm suchen sollten.“
„Deutet diese lange Lebensspanne nicht darauf hin, dass es sich doch um einen Magier handelt?“, fragte Koraxxon. „Wir sollten vorsichtig sein.“
Koraxxons Misstrauen war nicht unbegründet, das fand auch Rajin. Zumal sich der Bleiche Einsiedler sehr für die Kathedrale des Heiligen Sheloo zu interessieren schien, und die war auch für Abrynos von zentraler Bedeutung gewesen. Dort hatte er immerhin die Dämonen des Glutreichs in die Welt geholt, und Rajin fiel es schwer zu glauben, dass Abrynos die Kontrolle über dieses kosmische Tor so einfach aufgegeben hatte.
„Es sei denn, er braucht es nicht mehr, weil er gleichwertigen Ersatz gefunden hat“, vernahm er wieder die Gedankenstimme der Metallhand.
An diese Möglichkeit möchte ich lieber nicht denken, entgegnete Rajin.
„Wir sollten aber damit rechnen.“
Sag mir, verlangte Rajin mit einem konzentrierten, sehr fordernden Gedanken zu wissen, wie viel Großmeister Komrodor ist eigentlich noch in dir?
„Keines der Anteile meiner Selbst kennt die menschliche Überschätzung der eigenen Individualität“, lautete die ausweichende Antwort. „Und so fürchte ich mich auch nicht davor, zu etwas Neuem zu werden, etwas, das noch im Entstehen begriffen ist – und von dem auch deine Seele ein Teil sein wird.“ Gelächter hallte in Rajins Kopf wider, doch als das Wesen in der Hand den Schauder und das aufkommende Entsetzen des jungen Mannes spürte, fügte die Gedankenstimme hinzu: „Es lag keineswegs in meiner Absicht, dich zu erschrecken. Schon gar nicht während einer so wichtigen Etappe.“
„Etappe?“, fragte Rajin laut und sorgte damit für Verwunderung bei seinen beiden Begleitern. „Eine Etappe wovon?“
„Eines Weges, an dessen Ende sich die Zukunft entscheidet und eine neue Ordnung der Welt stehen wird“, lautete die Antwort.
Keiner von Rajins Getreuen, die noch immer zusammen mit dem jungen Kaiser im Drachensattel saßen, wagte zu fragen, mit wem sich Rajin da gerade unterhielt. Selbst Koraxxon, der ansonsten keinerlei Respekt und keine diplomatische Zurückhaltung kannte, runzelte nur die Stirn, hielt aber den Mund.
Im nächsten Moment jedoch wandte Ganjon ruckartig den Kopf. Im Unterholz des nahen Waldrands hatte er Bewegungen bemerkt.
„Wir werden offenbar beobachtet“, stellte er fest. Die Hände waren bereits zum Waffenarsenal an seinem Gürtel geglitten.
Es knackte in den wuchernden Sträuchern und Büschen, dann stob eine Horde von Reißzahnaffen laut kreischend davon. Sie griffen nach Rankpflanzen, die von den Baumkronen
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