DRACHENERDE - Die Trilogie
Hieb mit der schweren Klinge einhändig hatte führen müssen, streifte die Klinge nur einen der Schwanzstacheln.
Im genau diesem Moment jedoch mischte sich ein durchdringendes Zischen in Ayyaams Gebrüll, das sich in einen schrillen Schmerzensschrei verwandelte und dann erstarb. Der Drache wirkte wie erstarrt, seine Schuppenhaut, die schlagartig eine graue Farbe angenommen hatte, lag auf einmal direkt auf den Knochen, das Fleisch darunter schien weggeschmolzen oder einfach verschwunden zu sein. Das Drachenfeuer erlosch, und eine Wolke aus heißem, übelriechendem Gas quoll Ayyaam aus Maul und Nüstern. Dann sackte der Drache in sich zusammen und lag mit blicklosen toten Augen da. Er wirkte wie mumifiziert.
Auch Rajin konnte den Krieger mit dem Beidhänder nicht mehr als solchen erkennen, seit das Drachenfeuer ihn nicht mehr umloderte. Einzig die Schutzaura aus grellem Licht, die ihn auf geheimnisvolle Weise davor bewahrt hatte, dass Ayyaam ihn zu Asche verbrannte, war noch deutlich zu sehen gewesen, doch sie verblasste nun ebenfalls. Die Gestalt trat als flirrender Schemen auf Ayyaam zu, so als wollte sie sich davon überzeugen, dass der reptilienhafte Gigant tatsächlich sein Ende gefunden hatte. Dann verblasste die seltsame Erscheinung völlig.
Nur die Spuren im Gras waren noch immer zu sehen. Durch die Berührung seiner Füße schien der unheimliche Geisterkrieger den Pflanzen auf ganz ähnliche Weise die Lebenskraft zu entziehen, wie er es bei dem Drachen getan hatte. Nur anhand dieser Spuren ließ sich erkennen, dass er nun Richtung Waldrand entschwand, doch in der vom Drachenfeuer niedergebrannten Randzone waren auch sie schließlich nicht mehr auszumachen.
Der Unsichtbare war in der Tiefe des Waldes verschwunden. Für einen kurzen Moment hörte man noch die Reißzahnaffen laut kreischen, und in den Baumkronen raschelte es heftig, doch die Tiere beruhigten sich, sobald die Gefahr an ihnen vorbeigeschritten war.
Dafür erklang der Ruf Ghuurrhaans. Mit einem Knall verpuffte eine heiße Gaswolke seines Atems, und Flammen schlugen vor Erregung aus seinen Nüstern. Der ehemalige Wilddrache wand den langen Hals wie unter Schmerzen und fegte mit dem stachelbewehrten Schwanz wütend durch die Luft.
Der Unsichtbare hetzte in den dichten Wald. Sträucher und Äste hieben ihm entgegen. Für einen Beobachter sah es aus, als würden sie durch Zauberkraft bewegt. So gut, wie es ihm in der Eile möglich war, vermied er es, auf etwas zu treten, das lebte. Geschah es doch, verdorrten Moose und Gräser unter seinen Sohlen. Einmal verfing er sich mit dem Fuß in einer Wurzel, woraufhin der Baum innerhalb von Augenblicken grau und morsch wurde; der Stamm knickte um und krachte durch das dichte Unterholz.
Er musste vorsichtiger sein. Obwohl ihn niemand zu sehen vermochte, fiel er doch auf. Er blieb stehen und lauschte. Folgten ihm die Drachenreiter? Ein so mächtiges Geschöpf konnte vielleicht sogar den ganzen Wald niederbrennen, und wenn die Flammen ihn erfassten, wurde auch er für ein paar Augenblicke sichtbar.
Schmerz hatte ihn erfasst, als ihn das Drachenfeuer umschlungen hatte, aber ansonsten war ihm nichts geschehen. Es musste ein Zauber sein, der ihn vor der verheerenden Wirkung der Flammen bewahrte - derselbe Zauber, der ihn bereits in der Hölle des Glutreichs geschützt hatte, wo er für eine fast unerträgliche Ewigkeit gefangen gewesen war.
Ewigkeit?
Der Unsichtbare vermochte nicht zu beurteilen, ob das wirklich der passende Begriff war. Die Maßstäbe von Zeit und Raum, die er gewohnt war, schienen an den seltsamen Orten, an die es ihn in letzter Zeit verschlagen hatte, keine Bedeutung zu haben.
Der Unsichtbare war verwirrt. Nicht nur das, er war erfüllt von namenloser Furcht und getrieben von dem Wunsch, endlich zu erfahren, was mit ihm geschehen war und womit er das, was ihm zugestoßen war, verdient hatte.
Für einige Augenblicke verhielt er sich vollkommen ruhig. In der Ferne waren die Schreie der aufgebrachten Reißzahnaffen zu hören, in deren Reich er ungefragt eingedrungen war und die darauf reagiert hatten wie jede Kreatur, die ihr Gebiet verteidigte.
Dutzende der Reißzahnaffen hatten das mit dem Leben bezahlt. Ihre wie mumifiziert wirkenden Körper lagen an verschiedenen Stellen des Waldes, und es schien so, als würden selbst die Aasfresser vor den Kadavern zurückschrecken. Woran das lag, konnte der Unsichtbare nicht einmal vermuten.
Alles, was er berührte, wurde so - nicht
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