DRACHENERDE - Die Trilogie
klar, wen du da vor dir hast?“, rief Kallfaer, außer sich vor Wut. „Der Bastard hat auch deinen Bruder und deine anderen Verwandten in Winterborg auf dem Gewissen! Er hat das Unglück angezogen und den Zorn der Götter herausgefordert. Nur deswegen ist all dies geschehen!“
In diesem Augenblick erschienen weitere Vogelmenschen auf der anderen Seite der Lichtung. Sie flogen heran, mit zwei gut verschnürten Bündeln auf ihren Armen. Aufgrund der besonderen Verhältnisse auf dem Jademond konnten sie wohl noch viel schwerere Lasten mit sich zu führen, während sie sich durch die Lüfte bewegten.
Rajin erkannte sofort, wen sie da bei sich trugen. Es waren Branagorn und Erich von Belden. Beide waren dermaßen in Netze eingewickelt, dass sie sich so gut wie gar nicht bewegen konnten. Die Vogelmenschen setzten sie vorsichtig auf den Boden ab, wo sich der Rest des großen Netzes spannte, mit dem nahezu die ganze Lichtung bedeckt war. Branagorn und Erich von Belden klebten sofort auch an diesem Netz fest, während die Vogelmenschen ebenso wie Kallfaer Eisenhammer und die anderen Seemannen seltsamerweise ohne Schwierigkeiten darüber hinwegschreiten konnten. Der Geist, der die Netze beseelte, schien genau zu unterscheiden, wen er zu fesseln und festzuhalten hatte und wen nicht.
Kallfaer zog sein Schwert und fasste dessen Griff mit beiden Händen. An seinen fließenden Bewegungen, bei denen er kein bisschen ins Taumeln geriet, war zu erkennen, dass er sich schon gut an die Verhältnisse auf dem Jademond gewöhnt hatte. „Ich bin ein Mann von Ehre! Also nehmt das Netz von dem Drachenreiter, denn ich erschlage niemanden, der sich nicht wehren kann!“
Unter den Vogelmenschen erhob sich schrilles Stimmengewirr, von dem sonst niemand auch nur ein einziges Wort zu verstehen vermochte.
„Wir wägen stets das Für und Wider ab und lassen uns nicht von Gefühlen leite“, erklärte dann einer der Vogelkrieger, der in Kallfaers Nähe stand.
„Ich habe ein Recht auf meine Rache!“, knurrte Kallfaer.
„Muss ich dir mal wieder eins auf den Schädel geben, damit du zur Vernunft kommst?“, grollte Orik Wulfgarssohn. „So wie vor anderthalb Jahren, als wir mit den Vogelmenschen durch das Tor gingen?“ Er packte Kallfaer bei der Schulter und riss ihn herum. „Es ist schon schlimm genug, dass wir wahrscheinlich bis zum Ende unserer Tage auf dieser Welt gefangen sein werden, denn es sieht nicht so aus, als könnten unsere geflügelten Freunde das Geheimnis der Tore wirklich vollständig enträtseln.“
„Und was hat das mit meiner Rache zu tun?“
„Niemand von uns weiß, ob er je wieder auf andere Menschen treffen wird“, erklärte Orik Wulfgarssohn. „Wir sollten uns nicht noch gegenseitig erschlagen!“
„Da unsere gefiederten Freunde nur Krieger und keine Frauen von unserer Art gerettet haben, wird es in absehbarer Zeit ohnehin gar keinen Menschen mehr auf dem Jademond geben“, entgegnete Kallfaer. „Aber bis es soweit ist, will ich wenigstens getan haben, was ich tun muss, um in Frieden in Njordirs Reich eingehen zu können!“
„Alles nur leeres Gerede, Kallfaer. Njordirs Reich gibt es nicht mehr. Schau zum Himmel!“
Kallfaers Augen wurden schmal, seine Miene verfinsterte sich noch mehr. „Ja, so verflucht sind wir, dass wir nicht einmal mehr einen Platz im Jenseits haben, wo unsere Seelen ausruhen könnten.“ Kallfaer zeigte mit der Schwertspitze auf Rajin. „Hörst du mich, Bjonn Dunkelhaar? Das Verhängnis, das du über uns gebracht hast, ist vollkommen. Du kannst zufrieden sein!“
„Zügle deinen Zorn“, mahnte ihn der Vogelkrieger, der zuvor schon gesprochen hatte. „Du bist nicht unser Herr!“
Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, ging der Vogelkrieger an Kallfaer vorbei und näherte sich Ghuurrhaan, der ihn drohend anknurrte. Aber der Drache konnte ihm kaum gefährlich werden, zu gut war er verschnürt, und als Ghuurrhaan erneut versuchte, das Netz mit roher Gewalt zu sprengen, schnürte es sich abermals noch fester um ihn, indem ein paar zusätzliche Fäden aus den Netzmaschen wuchsen und selbsttätig weiterer solcher Maschen knüpften.
Lass es!, befahl Rajin dem ehemaligen Wilddrachen mit einem strengen Gedanken. Mit jeder Bewegung, die der Drache ausführte, verschlimmerte er nur seine Lage und schränkte seine Bewegungsfreiheit noch weiter ein, als dies ohnehin schon der Fall war. Widerwillig gab Ghuurrhaan schließlich seine Versuche auf, sich befreien zu wollen.
„Du scheinst
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