Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
gänzlich ausbreiten konnte, schlurfte in die Küche um sich ein Coolpack zu holen und es sich auf den Hinterkopf zu klatschen. Schließlich ließ er sich auf das Sofa fallen und lehnte seinen Kopf samt der kalten Kompresse auf die Rückenlehne.
Wer war der Kerl in dem Spiegel? Wohl bloß ein Bild aus seiner Fantasie.
Irgendwie besaß der Kerl eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, der ihn heute Nacht vernascht hatte. Dieselbe lange, schlanke Gestalt, dasselbe weiche Gesicht und dieselbe Frisur, nur eben in Schwarz, anstatt in Rot.
Er begann wirklich durchzudrehen, wenn er nun wirklich daran glaubte, in seinem Badezimmerspiegel die Elben aus Herr der Ringe zu sehen. Hatte der Typ aus dem Spiegel spitze Ohren besessen?
Jonas knurrte wütend. Er brauchte dringend Urlaub. Bis dahin waren es jedoch noch ganze vier Wochen. Dort würde er sich am Sandstrand von Thessaloniki von der Sonne den Bauch knusprig brutzeln lassen, literweise Ouzo auf Eis oder Metaxa in sich hineinschütten und den rassigen Griechinnen hinterher gucken. Und dadurch hoffentlich diesen Kerl von heute Nacht und den aus seinem Spiegel vergessen und sich nicht ständig seinen Schädel einrennen.
Als Jonas auf der Party eintraf, war sie bereits in vollem Gange. Lindas Wohnung war kurzerhand in eine Partymeile umfunktioniert worden. Wie die Einrichtung vorher aussah, hatte er noch sehr gut in Erinnerung. Vor einiger Zeit, vor fast einem Jahr, als er noch jung und unbedarft seinen neuen Job in der Agentur angetreten hatte, war er wie ein schwanzgetriebener Idiot ihrer Einladung zu einem Kaffee nach einem Geschäftsessen gefolgt. Sie hatte ihn, kaum dass er die Schwelle überschritten hatte, geküsst und einige wenige Minuten später waren sie auch schon auf dem Boden herumgerollt. Er hatte mit ihr geschlafen, oder sie mit ihm, darüber war er sich noch nicht im Klaren. Hinterher waren sich beide einig gewesen, dass es nichts bedeutete und so war es auch geblieben. Jonas hatte sich einige Male gefragt, ob das zu einem Willkommensritual gehörte, ihn gleich in der ersten Woche flach zu legen. Als eines Tages ein weiterer Neuzugang des Morgens mit roten Wangen in die Agentur kam und Linda stetig verstohlene Blicke zuwarf, bestätigte dies seine Vermutung.
Für Jonas war es auch nichts Weltbewegendes gewesen. Obwohl Linda sicherlich nichts zu beklagen gehabt hatte, vor allem, als sie seinen Namen schrie, während er sie zum dritten Mal kurz hintereinander mit der Zunge zum Orgasmus brachte, war es nichts gewesen, woran er länger hätte festhalten wollen. Seinem Mojo fehlte der Reiz, der besondere Kick, das, was seinem Bauch unentwegt einflüsterte, mehr haben zu wollen.
Der neue Mitarbeiter war nach einem Monat verschwunden, während Jonas Linda inzwischen lediglich als sehr nette Kollegin betrachtete.
Mehr , dachte er plötzlich sehnsüchtig und hatte dabei komischerweise diesen Kerl aus seinem Badezimmerspiegel vor Augen. Wütend schüttelte er den Kopf und verbannte diesen schwulen Elben aus seinem Hirn. Das fehlte ihm gerade noch.
Nicht lange, nachdem er durch die Türe hereingekommen war, erblickte ihn auch schon Melli, verwickelte ihn in ein Gespräch und lächelte ihn unentwegt anzüglich an. Beim Tanzen schmiegte sie sich eng an ihn, rieb ihren Unterleib an seinem und fuhr ihm verstohlen – natürlich nur aus Versehen – über den Knopfverschluss seiner Jeans, wo nur wenige Zentimeter daneben sein eher gelangweilter Penis schnarchte. Das Anhängsel ebenso wie sein Besitzer hatte noch nichts ausfindig machen können, was sie beide reizte. Zu seinem Erstaunen und vollkommenen Entsetzen, blieb er eher auf den Proportionen der männlichen Gäste hängen, als auf denen der Frauen.
Wurde er jetzt etwa schwul?
Wegen der Feder?
Wegen des Kerls, den er sich im Badezimmerspiegel halluziniert hatte?
Oder wegen des Kerls, mit den helleren Haaren, der ihn im Traum entjungfert hatte?
Als ihm dies klar wurde, wollte er diese absolut hirnrissigen Gedanken mit ausreichend Wodka-Cola runterspülen. Zu seinem Übel kam ihm Melli dazwischen, die sich offenbar fest dazu entschlossen hatte, ihn sich heute zu krallen. Der Alkoholspiegel in seinem Blut war hoch genug, um die Nacht in einem Nebel des Vergessens versinken zu lassen, dachte er bei sich, als er von Melli in eine Abstellkammer gedrängt wurde und sie ihm dort an die Wäsche ging.
Erfreut und zugleich irgendwie angewidert begann er, sie von ihren Klamotten zu befreien und als es ihm gelang,
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