Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
bisschen falsch, verboten oder fremd an.
Ganz im Gegenteil.
Er fühlte sich so gut wie noch nie. Als sei er endlich angekommen, nach einer langen Reise, von der er nicht wusste, dass er sie überhaupt angetreten hatte. Vielleicht war er wirklich auf der Suche nach etwas gewesen. Etwas, was er nur in seinem Unterbewusstsein näher definieren konnte, während sein Verstand ihm etwas vollkommen Gegensätzliches einredete.
Er erinnerte sich daran, dass er sich am gestrigen Abend, nachdem er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war und sich in Gesellschaft eines fremden Mannes befunden hatte, so sehr nach eben jenem gesehnt hatte, dass sich offenbar seine Logik ausgeschaltet und er sich ihm hingegeben hatte.
So sehr sich Jonas auch bemühte, dieses ganze Erlebnis, den Abend und die Nacht mit Fäiram, diese ganzen Visionen und Eindrücke als infam, unlauter und eine Folge von Stress und Überarbeitung anzusehen – es wollte ihm nicht gelingen. Er kämpfte verbissen darum, zu dem alten Jonas zurückzukehren und musste schließlich aufgeben. Irgendetwas in seinem Inneren sträubte sich dagegen, verdrängt und vernichtet zu werden.
Das Drachenblut?
Es besänftige ihn, streichelte ihn, tröstete ihn, redete ihm mit Engelszungen ein, dass alles gut werde und er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Je mehr er gegen dieses neue und befremdliche Gefühl anzugehen versuchte und darum focht, es zu zerschmettern, desto mehr wurde ihm klar, dass er das eigentlich nicht wollte.
Wenn er sich vorstellte, dass er lediglich einen kranken Traum durchlebte und dass dies alles aufhörte, wenn er irgendwann erwachte, dass er nur mit den Hacken zusammenschlagen musste, um in seine Welt zurückkehren und all dies vergessen zu können, überkam ihm genau jenes Gefühl, das er sich zuvor gewünscht hatte.
Angst, Panik, Argwohn, Widerstand …
Widerstand gegen das Ende dieses neuen Zustandes. Rebellion gegen das Verdrängen des wohligen Gefühles in ihm. Demonstration gegen das Ignorieren der Wahrheit.
Er war schwul geworden.
Eine Nacht mit Fäiram hatte aus ihm einen Homosexuellen gemacht.
Mit einem verzweifelten Seufzen fuhr Jonas mit den Fingerspitzen durch seine Haare, zerwühlte sie, strich hart über seine Kopfhaut.
Sein Innerstes wusste es längst. Sein Mojo kannte die Wahrheit, lange bevor Jonas auch nur daran dachte. Sein Libido ließ keine andere Tatsache zu.
Er wollte mehr. Kein Zweifel. Er wollte mehr von dem, was ihm Fäiram in der vergangenen Nacht gezeigt hatte. Diese Leidenschaft, diese überschäumende Lust, dieses bedenkenlose Vertrauen und die Nähe des anderen Mannes.
Er schloss die Augen und wagte einen weiteren Versuch, sich per Herzenswunsch aus dieser verfahrenen Situation heraus zu retten. Abermals öffnete er seine Augen und stand noch immer in Unterwäsche in einem opulenten, prunkvoll ausgestatteten Schlafzimmer.
Nein, es war kein Traum, kein Ecstasyrausch, keine geistige Umnachtung. Es war Realität.
Nervös begann er im Zimmer auf und ab zu laufen, um über das Geschehene nachzudenken. In Fetzen rann der gestrige Abend in seiner Erinnerung an ihm vorüber, die Gespräche, seine Bedenken, bis er Fäirams Werben nachgegeben hatte. Die zaghaften, mit Bedacht ausgeführten Berührungen, die ihm durch Mark und Bein gegangen waren. Diese heißen, flehenden Blicke, die ihn tief in seinem Inneren berührt hatten. Schließlich erinnerte er sich auch an seine eigenen Eroberungen, vor allem an Melli und Linda, und an die Enttäuschung, die ihm danach jedes Mal durch die Glieder gefahren war.
Je mehr er darüber nachdachte und sich alles durch den Kopf gehen ließ und versuchte, sich aus all dem einen Reim zu machen, desto mehr begriff er, dass Fäiram tatsächlich das war, worauf er insgeheim gewartet hatte, jedoch ohne es zu wissen oder auch nur zu ahnen.
Ihm war, als seien ihrer beider Schicksale schon lange miteinander verknüpft gewesen. Irgendwann im Laufe ihres Lebens wäre er ihm unweigerlich über den Weg gelaufen, früher oder später. Dann wäre geschehen, was am gestrigen Abend oder auch in der letzten Nacht geschehen war. Dessen war er plötzlich überzeugt.
Jonas drehte sich langsam in Richtung Bett um und betrachtete es. Wie schön waren die Stunden gewesen, die sie dort gemeinsam verbracht hatten. Er konnte sich nicht vorstellen, diese Stunden mit Melli oder auch mit Linda zu verbringen, auf dieselbe Art und Weise. Mit denselben überschäumenden Gefühlen. Mit derselben brennenden
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