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Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung

Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung

Titel: Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ashan Delon
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bei seinem Sohn und dessen Familie gelebt hatte. Erst einige Jahre später, hatte Jonas begriffen, dass sein Urgroßvater nicht ständig spazieren oder einen Freund besuchen war, wie ihm seine Eltern stets erklärt hatten, wenn sie seine Großeltern besucht hatten und seinen Lieblingsopa nicht antrafen. Als er endlich die Wahrheit erfuhr, traf es ihn derart hart und unerbittlich, dass etwas in ihm zerbrach: das unschuldige, wie selbstverständliche, angeborene, natürliche Vertrauen eines Kindes zu seinen Eltern.
    Einmal mehr stellte er fest, dass seine Mutter ihn, und nun auch seinen kleinen Bruder, ständig in eine rosa gefärbte, mit Watte ausgepolsterte Welt packte, um sie vor schlimmen Ereignissen zu schützen. Sebastian würde dasselbe durchleben müssen und zur selben Erkenntnis gelangen. Der Grund, warum er sich ein ums andere Mal mit seiner Mutter in stundenlangen Streitgesprächen zoffte.
    Als er zu Ende gesprochen hatte, hörte er nur noch ein Keuchen. „Sag du es ihm“, ertönte ihre erstickte Stimme.
    Jonas war schon auf den Beinen und suchte nach den Autoschlüsseln. „Bin in zehn Minuten bei euch.“
     
    Geschlagene zwei Stunden heulte Sebastian an Jonas' Brust, der ihn festhielt und tröstete, dann und wann über das zerstrubbelte, verschwitzte Haar fuhr und den bebenden Körper an sich drückte. Einige wenige Minuten nach Jonas' Eintreffen, hatte seine Tante Brigitte angerufen und berichtet, dass die Großmutter gestorben war. Sebastian klammerte sich verkrampft an die Arme, die ihn hielten, und als die Tränen offensichtlich versiegt waren, schniefte er nur noch leise, das Gesicht in der Schulter seines großen Bruders vergraben. Schließlich regte er sich irgendwann, wischte sich das verschmierte und rot angelaufene Gesicht mit der Handfläche ab und schluckte hin und wieder hart.
    „He“, sagte Jonas, als er der Überzeugung war, dass Sebastian es überstanden hatte. „Es sind bald Ferien, und ich habe da noch Urlaub. Was hältst du davon, wenn du die eine Woche zu mir nach Griechenland kommst? Mama setzt dich in einen Flieger und ich hole dich ab. Wir machen zusammen Thessaloniki unsicher. Was meinst du?“ Zu spät viel ihm ein, dass er diese zwei Wochen eigentlich Fäiram versprochen hatte. Da seit dem gemeinsamen Wochenende gerade mal zwei Visionen ein Lebenszeichen von Fäiram gezeigt hatten, welche auch noch kurz und ohne nachfolgendes sexuelles Verlangen ausgefallen waren, glaubte er allmählich eher an einen äußerst verrückten Traum.
    Sollte Fäiram sich dennoch freimachen können, würde er es sicherlich verstehen, dass es nicht die ganzen zwei Wochen ging. Immerhin war ihm sein kleiner Bruder mindestens genauso wichtig – zu diesem Zeitpunkt zumindest, acht Tage später, wo die Eindrücke und Empfindungen nicht mehr ganz so stark in ihm wüteten.
    Sebastian sah hoch. Seine Augen waren rot unterlaufen. Seine Backen rot und geschwollen. Dennoch flammte eine ungeahnte Freude in seinem Gesicht auf. „Echt?“ Er schluckte hörbar und richtete sich weiter auf und suchte den Blick seiner Mutter, die mit ebensolchem roten, verheultem Gesicht ihnen gegenüber auf dem Sofa saß. Sie schluchzte und setzte ein freudiges Lächeln auf und nickte dankbar.
    Jonas nickte ihr zu. „Na, klar.“ Er zwickte liebevoll in den nicht unerheblichen Rettungsring um Sebastians Hüfte. „Und ein wenig Wandern täte dem kleinen Fettbauch auch nicht schlecht.“
    Sebastian begann zu strahlen. Er wusste genau, dass die beleidigenden Bezeichnungen eher Liebesbeweise waren. „Cool!“, war sein zweites Wort nach zwei Stunden Heulen.
     
    Seine Mutter hatte ihn gebeten, ihnen beim Ausräumen von Oma Friedas Altbauwohnung zu helfen. So saß er ein paar Tage später zwischen den Habseligkeiten der Verstorbenen und packte sie in Umzugskartons. Er tat sich schwer und musste mehrmals hart schlucken, wenn er all die Dinge, die für seine Großmutter einmal sehr wichtig gewesen waren, in unpersönliche Pappkartons packen, oder gar wegwerfen musste, als hätten sie niemals eine Bedeutung besessen. Immer wieder ertappte er sich dabei, wenn er Gegenstände in die Hand nahm, sich an Gelegenheiten zu erinnern, in denen sie eine Rolle spielten. Und stets aufs Neue musste er die Trauer hinunterschlucken, starr die Sachen in Zeitungspapier wickeln und in den Karton packen.
    Er war eben dabei Omas besonderes Geschirr mit den kleinen lilafarbenen Blüten wegzuräumen, als seine Mutter aus dem Wohnzimmer zu ihm kam.

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