Drachenflamme: Roman (German Edition)
gerecht geworden wäre, und er fügte hinzu: »Und dann mussten wir uns zu diesem Zeitpunkt auch noch um das dritte Ei kümmern.«
»Was nicht mal annähernd ein so gutes Ei war wie das gestohlene, was man auf den ersten Blick hätte sehen und euch jeder hätte sagen können. Und nun schau dir an, was da geschlüpft ist.« An Kulingile gewandt, fügte sie hinzu: »Beeil dich und iss auf, damit wir dich mitnehmen können, obwohl ich nicht verstehe, warum.«
Dass Kulingile zu langsam essen würde, konnte man ihm eigentlich weniger vorwerfen: Er schlang alles, was irgendwo übrig geblieben war, in Happen hinunter, die viel zu groß für ihn aussahen. Seine Flanken waren wieder in seltsamen Falten zusammengesunken, kurz nachdem sie sich zum ersten Mal aufgebläht hatten. Doch noch zwei weitere Male während der Rettung von Temeraire waren sie angeschwollen
und dann wieder geschrumpft. Demane machte sich Sorgen deswegen, aber dieser Vorgang schien Kulingile nicht wehzutun. Dorset hatte nichts Schlimmes feststellen können, obwohl er den Jungdrachen hinterher gründlich untersucht hatte.
»Also könnte er vielleicht irgendwann doch noch fliegen, auch wenn es jetzt im Augenblick noch nicht klappt«, erklärte Temeraire Iskierka. »Ich konnte den Göttlichen Wind auch nicht von Anfang an ausstoßen. Und überhaupt – Laurence will es so. Er sagt, es wäre unmoralisch, ihn zurückzulassen, soweit ich das verstanden habe.«
»Und ich verstehe nicht, was Moral damit zu tun haben sollte, dass man jemanden herumträgt, der nicht fliegen kann«, entgegnete Iskierka.
»Wir selbst sind auch mit der Allegiance transportiert worden, als wir den ganzen Weg nicht selbst bewältigen konnten«, gab Temeraire zu bedenken, »und wenn wir Kulingile zurückgelassen hätten, dann wäre er verhungert, weil er doch nicht jagen kann. Oder was, wenn die Bunyips ihn erwischt hätten? Er war klein genug nach dem Schlüpfen, dass sie sich ihn ohne Weiteres hätten holen können.«
»Ich begreife einfach nicht, warum du fortwährend darüber nachdenken musst, was jemandem hätte zustoßen können, der dich überhaupt nichts angeht.« Iskierka winkte genervt ab.
Das war eine sehr abfällige Bemerkung, und Temeraire war noch immer müde und reizbar. Überall war Sand, wo Sand überhaupt nur hingelangen konnte, und es gab nicht einmal annähernd genug Wasser, um ihn richtig abzuwaschen oder so viel zu trinken, wie man gerne zu sich nehmen würde. Und so war Temeraire alles andere als in prächtiger Laune, als die Männer wieder an Bord gingen. »Ich wünschte«, sagte er zu Laurence, »ich wünschte wirklich, dass mich andere Drachen nicht immer so seltsam fänden. Nicht, dass irgendjemand etwas auf Iskierkas Meinung geben würde, aber sie bringt einen schon ins Grübeln.«
»Ich hoffe, dass du nie den Wert von Mitleid und Wohltätigkeit in Frage stellst«, sagte Laurence, »unabhängig davon, ob du auf jemanden triffst, der die Dinge anders sieht. Glaubst du denn, dass sich Iskierka große Gedanken über das Schicksal der französischen Drachen gemacht hätte, welches die Ausbreitung der Krankheit besiegelt hätte?«
»Nnneinnnn«, antwortete Temeraire zögerlich; dann sah er Laurence schräg von der Seite an und fragte: »Laurence, bist du ganz sicher, dass wir das Richtige getan haben?«
»Ganz sicher«, antwortete Laurence. »Denk doch nur mal daran, mein Lieber: Noch vor einer Woche war Kulingiles unmittelbar bevorstehender Tod gewiss, und nun isst er gut und legt kräftig an Gewicht zu. Und er war eine ernst zu nehmende Hilfe, als es darum ging, dich aus dem Treibsand zu ziehen. Ich glaube wirklich, dass seine Aussichten auf eine zukünftige Besserung seines Zustandes groß sind.«
Das war es zwar nicht, was Temeraire eigentlich gemeint hatte, aber es hob seine Stimmung sehr zu wissen, dass Laurence das Gefühl hatte, die beiden Taten stünden in unmittelbarem Zusammenhang und seien gleichermaßen wichtig gewesen. Er hatte sich manchmal gefragt, ob Laurence irgendetwas bereute oder ob er enttäuscht sei, weil Temeraire so viel von ihm verlangt hatte. Er selber hatte überhaupt nichts dagegen, Kulingile mitzunehmen oder ihn für alle Zeiten auf dem Rücken herumzutragen, wenn das bedeutete, dass Laurence keinen Kummer hatte.
Zu seinem eigenen Trost fiel ihm plötzlich auf, dass, wenn er das täte, Demane gar nicht mehr für seine Mannschaft verloren wäre. Wenn Kulingile immer mit ihm mitfliegen würde, dann wäre es mehr so, als
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