Drachenflamme: Roman (German Edition)
verschoben werden muss.«
Allerdings beklagte sich Caesar endlos über Kulingile. Jeder Bissen, den Kulingile zu sich nahm, schien Caesar sich persönlich vom Munde abgespart zu haben, auch wenn er selbst einen großzügigen Anteil gehabt hatte, und zwar mehr, als ihm Temeraires Meinung nach aufgrund seiner Größe und der Erwartungen zugestanden hätte. Dorset fand, es habe den Anschein, dass er nun ein wenig langsamer wuchs. Er war jetzt seit drei Monaten aus der Schale, was für Temeraire ein erschreckender Gedanke war. Waren sie wirklich schon so lange unterwegs?
»Länger sogar«, sagte Laurence müde und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Und bei diesem Tempo brauchen wir noch vierzehn Tage, bis wir die Küste erreichen.«
»Laurence«, sagte Granby leise. »Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, wie wir wieder zurückkommen wollen. Ich will ja nicht unken, aber Kulingile scheint sich jeden Tag mehr zu einem wirklichen Problem auszuwachsen. Ich weiß, im Vergleich zu einem älteren Drachen hat er noch immer die Größe eines Kaninchens, aber die Luftsäcke wollen ihre Arbeit einfach nicht aufnehmen. Er wird so schwer, als wäre er aus Gold gemacht. Ich schätze, Iskierka könnte Caesar leichter auf ihrem Rücken transportieren als
ihn. Wenn das so weitergeht, habe ich keine Ahnung, wie wir ihn auf dem Rückweg mitnehmen sollen.«
Demane hatte genug mitgehört, um völlig verzweifelt auszusehen, und Temeraire belauschte, wie er zu Kulingile sagte: »Du kannst nicht mehr so viel essen, hörst du? Das geht einfach nicht. Versprich mir, dass du heute nicht mehr als ein halbes Känguru isst.«
Kulingile antwortete traurig: »Ich werde es versuchen. Aber es ist so schwer, nach der Hälfte von irgendetwas aufzuhören, wenn die andere Hälfte noch direkt vor einem liegt«, was Temeraire für ein stichhaltiges Argument hielt.
Wenigstens war Kulingile nicht wählerisch. Wenn sie einige Kasuare gefangen hatten, verschlang er sie mitsamt den Federn, sodass man sich nicht erst die Mühe machen musste, sie zu rupfen und zu zerlegen. Temeraire kostete einen kleinen Flügel, nur um eine Ahnung vom Geschmack zu bekommen und endlich, endlich mal etwas anderes als Suppe zu sich zu nehmen. Aber er wurde unangenehm überrascht: Die Federn knirschten zwischen seinen Zähnen, und sie schmeckten falsch – so als würde er versuchen, ein Stück Seil oder Segeltuch zu essen.
Temeraire gab den Versuch auf und überließ Gong Su sein Stück vom Vogel, damit er es mit in seine Suppe geben konnte, und schüttelte nur den Kopf. Kulingile zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich schlucke es einfach runter.« Dann legte er den Kopf in den Nacken, warf sich den restlichen Vogel in den Schlund und wand sich ein bisschen, bis alles den Weg in seinen Magen gefunden hatte.
»Wahrscheinlich ist es auf diese Weise leichter, alles für dich selbst zu behalten und zu verschlingen, ehe du jemandem etwas abgeben müsstest«, maulte Caesar. »Schade, dass es dir nichts zu nützen scheint.«
Temeraire schnaubte in wortloser Missbilligung, denn schließlich hatte Caesar selbst zwei der Vögel gegessen und brauchte nicht noch mehr. Aber es stimmte: Er verstand ebenfalls nicht, wie Kulingile
sein Essen genießen konnte, wenn er alles so gierig in sich hineinschlang.
Temeraire bemerkte, dass seine Gedanken leicht abschweiften, wenn über ihren Köpfen die unveränderlichen Sterne funkelten oder während der gleichförmigen Nachmittage. Da er nicht sprechen konnte, gab es nicht einmal Unterhaltungen, die die Stille unterbrochen hätten. Die Tage krochen in der fremden Umgebung dahin und verschwammen, und einer glich dem anderen. Die Landschaft glitt unter ihnen dahin, und der Staub knirschte auf Temeraires Flügeln, wenn er seinen Kopf darunterschob, um sich vor dem heißen Wind zu schützen, während sie sich ausruhten.
Er stellte fest, dass es ihm nicht viel ausmachte, dass ein weicher Dunst über den Tagen zu liegen schien. Das war durchaus eine Erleichterung nach der langen Zeit der Angst. Es gefiel ihm sehr, nachts zu fliegen und sich danach mitten am Tag schlafen zu legen, wenn die Hitze der Sonne eine Freude war, solange man sich nicht anzustrengen brauchte. Jeden Morgen kurz vor dem Mittag landeten sie, sobald sie irgendwo Wasser ausgemacht hatten, und schlugen ihr Lager auf. Temeraire achtete darauf, dass Laurence und seine gesamte Mannschaft sicher auf einem Felsen untergebracht wurden und dass jemand den Sand
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