Drachenflamme: Roman (German Edition)
Kulingile nahm die Neuigkeiten gelassener auf. »Ich hatte ohnehin nicht vor zu sterben«, piepste er.
Das Aufblähen seiner Flanken schien seine Stimme noch nicht verändert zu haben. »Aber ich bin froh, wenn das bedeutet, dass ich jetzt mehr essen kann, ohne dass mich alle deswegen beschimpfen.« Er streckte die Flügel aus und flatterte ein bisschen damit, was ihn erschreckend schnell in die Luft schießen ließ. Temeraire musste nach ihm greifen und erwischte ihn eben noch an der Schwanzspitze, sodass er in der Luft schweben blieb. »Sieh nur, Demane, schau mich an«, rief Kulingile, aber da er nur mit einem Flügel schlug, brachte er es lediglich fertig, sich im Kreis zu drehen.
»Auf jeden Fall ist es besser, als die ganze Zeit wie ein schwerer Brocken auf dem Boden rumzuliegen«, bemerkte Iskierka, »und ich bin nicht traurig, wenn ich dich nicht mehr herumtragen muss. Aber für einen Drachen benimmst du dich doch sehr albern. Entweder du kommst runter, oder du fliegst richtig.« Doch Kulingile ließ sich von dieser Kritik nicht die Laune verderben, und Demane musste ihn tatsächlich mit einem Seil anbinden. Temeraire ließ zu, dass er es an seinem Geschirr befestigte, da die wenigen Felsbrocken in der Nähe zu flach und damit unpassend für diesen Zweck waren.
Die einzige Person darüber hinaus, der die Entwicklung Unbehagen bereitete, war Sipho, doch da er Trost in seinen Büchern fand, konnte Temeraire aus ziemlich egoistischen Gründen nichts daran finden. Für ihn war es eine große Befriedigung, jemanden an seiner Seite zu haben, der ihm laut und fehlerfrei aus seinen Analekten vorlas. Und wenn Sipho wirklich einmal auf ein Schriftzeichen stieß, das er noch nicht kannte, dann kratzte er es groß in die Erde, und Temeraire konnte ihm weiterhelfen, was gut klappte. Es ging viel schneller, und Temeraire hatte auch nicht so ein schlechtes Gewissen, wie er es gehabt hätte, wenn er Roland oder Laurence hätte bedrängen müssen, ein bisschen was für ihn aufzuschreiben – und zwar groß genug, sodass er es auch würde erkennen können.
»Du wirst noch einen Buckel bekommen«, tadelte Demane und bohrte Sipho einen Finger zwischen die Schulterblätter. Ungehalten
schlug Sipho mit einem Arm nach seinem Bruder und fauchte: »Ich verbringe wenigstens nicht meine ganze Zeit damit, einem fetten Drachen den Bauch zu stopfen, der sich nur nicht die Mühe machen will, selber zu jagen, obwohl er inzwischen fliegen kann.«
Es war nicht fair, Kulingiles Versuche bereits als fliegen zu bezeichnen. Er hatte sich so daran gewöhnt, über den Boden zu schleichen, dass Dorset meinte, er habe seine angeborenen Dracheninstinkte vergessen und müsse nun völlig von vorne anfangen. Man sollte eigentlich annehmen, dass es ihm helfen würde, dass er so leicht war. Aber ganz das Gegenteil war der Fall. Zwar stieg er mühelos vom Boden auf, doch dann driftete er in die entgegengesetzte Richtung ab, und wenn er zu wild flatterte, dann schoss er ungebremst durch die Gegend, sodass die umstehenden Bäume arg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auf keinen Fall war er schon zum Jagen bereit, auch wenn niemand Zweifel daran haben konnte, wie sehr er diesen Tag herbeisehnte. Aber noch immer konnte er nicht richtig zum Sinkflug ansetzen.
Demane verpasste seinem Bruder einen Klaps aufs Ohr. »Du solltest mir lieber helfen, als hier herumzusitzen und deine Augen zu überanstrengen«, sagte er ernst. »Du verhältst dich wirklich albern. Wir haben jetzt einen eigenen Drachen, verstehst du das nicht? Wenn er ein bisschen größer ist, dann wird er auch in der Lage sein, zu jagen und zu kämpfen. Und dann kann uns keiner mehr mit etwas kommen, was wir nicht wollen.«
»Wer sollte uns denn etwas tun wollen?«, erkundigte sich Sipho. Temeraire fragte sich, ob Demane vielleicht die Bunyips meinte.
»Egal, uns kann dann niemand mehr was anhaben«, antwortete Demane ungeduldig.
»Warum sollte uns irgendjemand etwas antun, was uns nicht gefällt? Es sei denn, wir ziehen in den Krieg und kämpfen gegen andere«, sagte Sipho. »Und was das betrifft: Wenn du einen riesengroßen Drachen hast, bedeutet das nur, dass du umso mehr wirst
kämpfen müssen, und dein Feind wird versuchen, dich zu verletzen. Also, das klingt für mich ganz und gar nicht nach besonderer Sicherheit.«
Demane antwortete: »Ich meine nicht einen Feind. Das Gesetz hat Kapitän Laurence zu einem Gefangenen gemacht und ihm all seine Besitztümer weggenommen. Was, wenn sie das
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