Drachenflamme: Roman (German Edition)
Bemerkungen entgegenzutreten. Laurence ging davon aus, dass er noch keine fünfzehn Jahre alt war, und noch dazu war er recht klein, vermutlich durch die mangelhafte Ernährung in seiner Kindheit, doch er legte rasch zu und hatte ein geradezu blutrünstiges Interesse an Degen, Pistolen und Gewehren entwickelt.
»Ich sage ja nicht, dass du alles schlucken musst«, meinte Laurence, »aber ich sage dir sehr wohl, dass jedes Verhalten und jede Handlung, die ein unkontrolliertes Temperament oder eine Missachtung der Korps-Regeln erkennen lässt, nur noch zu mehr Vorurteilen gegen dich führen wird und es umso unwahrscheinlicher macht, dass du offiziell anerkannt wirst. Ganz sicher wird es die Sache nicht beschleunigen.«
»Zuerst wollte ihn keiner haben«, sagte Demane wütend und mit funkelnden Augen. »Sie wollten ihn erschießen oder ihn allein zurücklassen, damit er verendet, oder ihm sein Essen wegnehmen …«
»Das reicht, Demane. Sie haben gedacht, sie würden ihre Pflicht tun«, schnitt ihm Laurence das Wort ab, obwohl er fand, dass Demane
mit seinen Vorwürfen völlig recht hatte. »Sie haben sich geirrt und du nicht. Das sollte dir doch reichen und dich taub machen für das Bedauern, das verständlicherweise jeden Mann überfällt, der sieht, dass ein Junge so weit vor seiner Zeit befördert wird, wo ihnen selbst doch so wenige Gelegenheiten bleiben.«
»Es würde ihnen weniger ausmachen, wenn Widener an meiner Stelle wäre«, murmelte Demane, doch er schwieg, als Laurence ihm einen strengen Blick zuwarf.
»Widener ist ein Blödmann, natürlich hätte ihnen das was ausgemacht«, fügte Roland verächtlich hinzu, als sich Demane neben sie in den Schatten hatte sinken lassen. »Hör auf, so schrecklich empfindlich zu sein. Natürlich sind sie jetzt alle neidisch, aber das wird sich ändern, wenn du erstmal einen richtigen Kampf durchgestanden hast.«
»Du hast leicht reden«, fauchte er. »Niemand würde je behaupten, dass du keine richtige Fliegerin bist, und äußern, dass man dich nach Afrika zurückschicken sollte.«
»Dafür musst du nicht einem Leutnant eine Ohrfeige geben, weil er dir seine Hand unters Hemd geschoben hat«, gab Roland zurück. Laurence riss abgestoßen und entgeistert den Kopf hoch. »Nein, ich sage nicht, wer es war«, fügte sie hinzu, als Demane sofort den Schuldigen genannt haben wollte, noch ehe Laurence dazu Gelegenheit hatte. »Er war betrunken, und es hat ihm hinterher leidgetan. Ich meine: so richtig leid. Er hat sich nicht nur entschuldigt, weil er ein Angsthase war. Ein Angsthase hätte es gar nicht erst versucht, schätze ich, wo meine Mutter doch jetzt Admiralin ist.« Dann fügte sie freimütig hinzu: »Und überhaupt: Wer weiß, ob es mir so viel ausgemacht hätte, wenn er nicht so betrunken gewesen wäre?«
Laurence war betroffen von Demanes erschreckender und unmissverständlich formulierter Abscheu. Die ganze Sache gab Laurence neuen Anlass zur Sorge. Er hatte seine Pflichten gegenüber
Roland vernachlässigt. Auch wenn sie offiziell nicht mehr unter seinem Kommando stand, war er selbstverständlich trotzdem für sie verantwortlich, und er hatte sie ohne ausreichenden Schutz alleingelassen. Er hatte ihr gestattet, sich mit den anderen Fähnrichen und Läufern anzufreunden, obwohl sie alle inzwischen ein Alter erreicht hatten, in dem das nicht mehr ratsam war. Das alles ließ auf mangelnde Fürsorge schließen, was eine unziemliche Annäherung geradezu ermutigen musste.
Da sich kein anderes weibliches Besatzungsmitglied unter ihnen befand, erkannte Laurence mit einem Mal die Notwendigkeit, Roland besser im Blick zu behalten. Doch er konnte sich lebhaft vorstellen, wie ablehnend sie auf solche Aufsicht reagieren würde.
»Warum denn das?«, fragte Granby, dem die Frage nach dem guten Ruf eines Mädchens vollkommen gleichgültig war, was Laurence zwar nicht mehr hätte erstaunen sollen, was ihm aber trotzdem einen Seufzer entlockte. »Wenn sie eine Leidenschaft für Demane entwickelt oder für sonst irgendwen, dann ist es doch besser, je früher es passiert. Wir wollen Excidium doch weiß Gott noch mindestens zwei Generationen lang im Geschirr halten, wenn er es denn schafft. Inzwischen kennt er unsere Formationen besser als zehn Offiziere zusammen. Und du kannst es ja bei Hartcourt sehen: Man weiß nie, was geschieht. Vielleicht braucht es ein Dutzend Versuche, ehe man mal ein Mädchen bekommt.« Dann fuhr er fort: »Aber ich muss gestehen, dass mir die
Weitere Kostenlose Bücher