Drachenflamme: Roman (German Edition)
sie hatten, konnten sie sich nicht verlassen. Es gab keine bekannten Landmarken oder sonst irgendetwas, das sie auf ihrem Weg bestärkt hätte.
Auf den Karten jedoch hatte es den Anschein, als näherten sie sich nach und nach der Küste, und eines Morgens flogen sie auf ein breites Band von üppigem Grün zu, das sich in beide Richtungen an einem Flussufer entlang erstreckte, dessen Wasser strudelnd dahinschoss.
Zwei Tage später überflogen sie ihn noch einmal, und danach wurde die Landschaft von Tag zu Tag weniger trocken. Die rote Erde geriet langsam außer Sichtweite, während die Bäume immer näher zusammenrückten und es Wasser nun im Überfluss gab. Sie flogen durch die Nacht, der kühle Wind rauschte an ihren Gesichtern vorbei und strich vertraut und angenehm über Laurence’ halb geschlossene Augen. Und dann tauchte Temeraire plötzlich ab, um auf der Spitze eines niedrigen Hügels zu landen.
Laurence erwachte nun endgültig. Die Luft war salzig, und unter ihnen schimmerte das Mondlicht als silberner Streifen auf dem Wasser, eine schmale, funkelnde Straße, die sich erstreckte, bis sie in weiter Ferne am dunklen Horizont verschwand. Das Rauschen des Meeres wehte über den Hang zu ihnen herauf. Unter ihnen waren einige Lichter zu entdecken, vielleicht ein Lager, aber dafür waren es zu viele. Laurence glaubte, noch ein oder zwei weitere zu erkennen, und aus den schwankenden Bewegungen schloss er, dass der Schein vom Wasser kommen müsse, wahrscheinlich von nächtlichen Fischern in ihren Kanus.
»Wir sollten lieber hier unser Lager aufschlagen und uns morgen alles ansehen, bevor wir einen Fehler machen«, sagte Granby, und er hatte seine Stimme gedämpft, damit sie nicht weitergetragen würde. Laurence nickte. Die Chance, Iskierka oder Temeraire verstecken zu können, war nicht sehr hoch, aber sie fanden einen Felsbrocken, um den die Drachen sich winden konnten, was ihnen bei einem flüchtigen Blick aufgrund der Dunkelheit immerhin ein wenig Tarnung gab. Um die Tiere herum stellten sie ihre Zelte auf.
»Ein komischer Gedanke, dass wir den ganzen Kontinent überflogen haben«, bemerkte Granby nachdenklich, während sie ihren Tee tranken. »Aber Himmel! Was für eine Zeitverschwendung, wenn das Junge inzwischen schon geschlüpft ist.«
»Es ist noch nicht geschlüpft«, sagte Rankin. »Ich frage mich allerdings, wie Sie gedenken, es zu finden und zu befreien. Sie scheinen den Eindruck zu haben, nur weil wir ein Eingeborenendorf gefunden haben, sind wir auch am Ende unserer Suche angelangt.« Er stapfte davon und gesellte sich zu Caesar.
»Ob wir das Ei nun gefunden haben oder nicht«, sagte Laurence, »ich denke, wir sind auf jeden Fall am Ende unserer Suche. Entweder der Drache ist schon geschlüpft, oder der Zeitpunkt steht unmittelbar bevor. Wenn wir vor vollendeten Tatsachen stehen, dann hoffe ich, dass unsere beiden hier die Sache nicht noch weiter verfolgen
wollen.« Er sah zu dem schlafenden Temeraire hinüber, der sich nicht bewegte. Nur sein rasselnder Atem war zu hören.
Laurence schlief neben Temeraire. Am Morgen erwachte er und fragte verschlafen »Ja?«, ehe er begriff, dass er von einem männlichen Eingeborenen beobachtet wurde. Dieser war groß und hatte einen lockigen Bart, der schon ein wenig angegraut war. Sein restlicher Körper wirkte wie der eines sehr viel jüngeren Mannes, als sein Gesicht vermuten ließ, und er war sehnig und muskulös. In der Hand hielt er wie beiläufig einen Speer. Er trug ein Lendentuch, sonst nichts. Zwei jüngere Männer, die wachsamer wirkten, warteten ein Stück hinter ihm.
»Laurence, vielleicht hat er ja das Ei gesehen oder den anderen Drachen?«, fragte Temeraire und spähte interessiert nach unten. Auch die große Nähe zu seinen Zähnen schien ihren Besucher nicht zu beunruhigen. »Haben Sie?«, fragte er, und begann, seine Frage auf Französisch und Chinesisch zu wiederholen.
»Wenn überhaupt, dann werden wir es mit Pantomime und den spärlichen Sprachkenntnissen von O’Dea und Shipley versuchen müssen«, sagte Laurence und kletterte auf Temeraires Rücken, um zu sehen, wohin die genannten Männer verschwunden waren. »Mr. O’Dea«, rief er, und der Gentleman drehte sich um und kehrte vom Rand des Abhangs zurück, wo er mit mehreren Strafgefangenen gestanden hatte, um den Blick übers Meer schweifen zu lassen.
»Sir«, sagte O’Dea, als er zu ihm herabgeklettert war. »Wir haben uns gefragt, ob wir am Ende doch nach China gelangt
Weitere Kostenlose Bücher