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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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einfach es ist, sich zu verirren. Wir sind viel zu leichtsinnig geworden, weil wir glauben, wir müssen nur hoch genug fliegen, um unseren Weg wiederzufinden. Ich habe das Gefühl, dass wir uns in der letzten Viertelstunde schon dreimal um uns selbst gedreht haben, und der Stand der Sonne hat sich nicht verändert.«
    Iskierka bemerkte: »Und mir scheint, dass all diese Bäume überall
für unsere Schwierigkeiten verantwortlich sind. Ich könnte einige von ihnen abbrennen, vielleicht sehen wir ja dann, wo der Fluss ist.«
    »Was uns nach vier Tagen Feuersturm dann ganz egal sein dürfte«, entgegnete Rankin mit schneidender Stimme.
    Die Bäume waren nicht von der Sorte, die leicht Feuer fangen oder sich mit wenig Mühen umstürzen lassen würden. Es waren keine kleinen, buschigen Exemplare, trotz der seltsam abblätternden Rinde an ihren Stämmen, sondern es waren alte Riesen, die ausgezeichnetes Nutzholz abgeben würden. Laurence hatte bereits ein halbes Dutzend Bäume gesehen, die sich wunderbar für einen neuen Hauptmast der Allegiance eignen würden. Selbst Temeraires Kraft würde nicht ausreichen, rasch einen davon zu entwurzeln, und ein einzelner, umstürzender Baum würde das Dickicht nicht spürbar lichten.
    Am Ende einigten sie sich darauf, eine Weile abzuwarten. Die Sonne kletterte zum Zenit, weißglühend heiß und gnadenlos sengend. Der Tag wurde noch stiller, und der schwache Windhauch brachte keinerlei Erleichterung, nur ein trockenes, papiernes Gefühl auf der Haut und aufgesprungene, weiß überzogene Lippen.
    Sie entluden die Drachen, und Rankin wandte sich an die Strafgefangenen, um sie anzuweisen, sie sollten einige junge Äste abbrechen und Unterholz herausziehen, um das Ganze über Caesars Haut auszubreiten und ihm so mehr Schatten zu spenden. Außerdem würde Caesar auf diese Weise ein wenig an der Pflanzenkühle teilhaben, die vom Wasser herrührte, das in den Blättern gespeichert war. Die Männer befolgten die Befehle nur widerwillig und mit wenig Anstrengung, doch dann kümmerten sie sich mit mehr Sorgfalt in der gleichen Weise um Jonas Green. Man hatte ihn in den tiefsten Schatten getragen und auf den Boden gelegt, und Dorset flößte ihm einen kleinen Becher Wasser ein.
    Die restlichen der Verurteilten fielen unter den Bäumen wieder in ihren eigenen Dämmerzustand zurück. Rankin lief eine Zeit lang auf und ab, als überlegte er, ob es Sinn hätte, sie wieder an die Arbeit zu
treiben. Doch die Hitze sprach im Augenblick gegen ihn, und so ließ er sich gegenüber von seinem Drachen zu Boden sinken und lehnte mit geschlossenen Augen den Rücken an einen der hohen Eukalyptusbäume. Green stöhnte immer mal wieder auf und bewegte sich; er schwitzte stark, und wenn er auffuhr, konnte er nicht sprechen, sondern nur einige undeutliche Worte murmeln, ehe er wieder in unruhigen Schlaf verfiel.
    Temeraire seufzte leise, ohne großes Aufhebens darum zu machen. Er und Iskierka befanden sich auf dieser schmalen Lichtung in einer seltsamen Lage, denn sie mussten sich um die aufragenden Stämme der uralten Bäume ringeln. So aber konnte Temeraire der unbarmherzigen Sonne nicht völlig aus dem Weg gehen, und es war ihm auch nicht möglich, seine Flügel auszubreiten, wie er es so gerne tat, wenn es übermäßig heiß war. Er versuchte sein Bestes, um wenigstens den Kopf in den Schatten zu stecken, doch dafür musste er seinen Hals einmal um einen Stamm schlingen und dann beinahe parallel wieder zurückbiegen. Als er es geschafft hatte, schloss auch er die Augen. Laurence lehnte sich zwar nicht bei ihm an, saß aber in der Nähe und schlief ebenfalls. Jedenfalls war er in einen schlafähnlichen Zustand gefallen, der aber nicht halb so erholsam war, wie er hätte sein sollen. Statt ein Gefühl des Friedens zu verspüren, kam es ihm vor, als treibe er ankerlos dahin und als verschwinde die Welt unter ihnen. Immer wieder schnitt die Sonne durch das Blätterdach und war stechend heiß.
    Endlich verschwand sie hinter der anderen Seite der Schlucht, und sie hatten etwas mehr Schatten. Doch die Mattigkeit ließ sich nicht so leicht abschütteln, sondern wurde eine Weile noch schlimmer, und als Laurence sich schließlich mühevoll zwang, aufzustehen, war der Tag verflossen, und es war spät geworden. Sechs Uhr musste auf jeden Fall schon vorbei sein, dachte er, und vielleicht war es sogar noch später. Er konnte den Duft von gebratenem Fleisch riechen, was ihn aus diesem tiefen Brunnen eines unruhigen Schlafes

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