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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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der gehen muss, da könnt ihr ganz sicher sein«, sagte O’Dea und wischte ihm sanft die Stirn ab.
    Schließlich streckte sich Laurence dann doch noch auf dem Boden aus, allerdings eher aus einem Pflichtgefühl heraus, als dass er wirklich schlafen wollte. Die Blätter über ihm waren dicke, dunkle Flecke. Oberhalb davon hatte sich der Mond tiefer in die Wolkenbänke zurückgezogen und übertünchte nun den ganzen Himmel mit einer Blässe anstelle der tiefen Schwärze einer klaren Nacht. Die Stille und die Hitze waren geblieben. Laurence glaubte, er sei vielleicht nur kurz eingeschlafen, doch als er die Augen wieder aufschlug, hätte er nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war. Er hörte ein seltsames, tiefes Stöhnen, aber es kam nicht von Jonas Green, was sein erster Gedanke gewesen war. Es war ein Lied, das irgendwo in der Ferne ertönte.
    Laurence blieb noch einen Augenblick lang zusammengesunken sitzen, dann richtete er sich abrupt auf, als die Geräusche vollends in sein Bewusstsein eindrangen. Auch einige der anderen Männer hatten sich bereits aufgesetzt und lauschten angespannt. Ihre Augen leuchteten an den Rändern weiß. Die Worte, die gesungen wurden, waren nicht zu verstehen, doch das Lauter- und Leiser- und wieder Lauterwerden der Trommeln war unablässig deutlich zu hören. Und darüber lag ein unnatürliches und sich wiederholendes Rascheln wie von trockenen Blättern, die der Wind bewegte. Noch während sie zuhörten, erstarb das Lied, dann begann es von vorn.
    »Da ist ein sehr seltsamer Klang«, sagte Temeraire verschlafen, ohne seine Augen aufzumachen. »Von wem stammt er denn? Es klingt, als wenn es jemandem nicht gut ginge; oder vielleicht ist er auch sehr wütend.«
    Diese Erklärung behagte den lauschenden Gefangenen offenkundig überhaupt nicht. »Bitte lass dich nicht stören«, sagte Laurence laut genug, um den Klang zu übertönen und bis an die Ohren der anderen Männer zu dringen. »Wir sind hier viele beisammen, deshalb
muss uns das nicht kümmern, und du solltest dich, so gut es geht, ausruhen.«
    Temeraire gab keine Antwort außer einem kleinen Seufzen, dann schlief er wieder ein. Laurence legte ihm eine Hand auf die Nüstern und wandte sich wieder seiner Decke zu. Neben ihm lag die von Tharkay ausgebreitet, er selbst aber war fort und sein weniges Gepäck ebenfalls.
    Laurence legte sich wieder hin, vor allem, um den anderen Männern ein beruhigendes Beispiel zu geben, doch ihm war nicht nach Schlaf zumute bei dieser seltsam unmenschlichen Musik, die noch immer zu hören war. Es fügte sich mit dem zusammen, was er schon vorher gedacht hatte: ein fremder Schrei eines fremden Landes.
    Leises Flüstern war zu hören, und auch wenn die Worte nicht auszumachen waren, war der Tonfall doch bedrückt. Plötzlich erklang Rankins Stimme mit seinen gedehnten, ironisch klingenden Vokalen: »Ich bitte um Verzeihung, meine Herren, aber würden Sie vielleicht so gut sein und Ihre Voraussagen über eine drohende Katastrophe auf den Morgen verschieben? Ich kann diese Hysterie nicht ertragen, wenn ich nicht durch eine ordentlich durchgeschlafene Nacht und einen starken Kaffee gewappnet bin.«
    Die kalte Verachtung erreichte, was Mitgefühl vermutlich nicht bewirkt hätte: Sie brachte die Männer zum Schweigen. Erneut verstummte das seltsam klagende Lied, nachdem es in der trockenen Luft langsam verklungen war. Laurence sah zu, wie sich die Blätter über ihm regten, und wieder verlor er jedes Zeitgefühl. Als er das nächste Mal die Augen aufschlug, berührte ihn jemand an der Schulter. Er rappelte sich auf und sah sich Tharkay gegenüber, der ihm schweigend einen gut gefüllten, tropfnassen Kanister reichte.
    »Dem Himmel sei Dank«, sagte Laurence leise und sah Tharkay fragend an, um zu erfahren, warum dieser nach seiner Entdeckung nicht das ganze Lager geweckt hatte.
    »Ich habe unsere Sänger nicht gefunden«, sagte Tharkay, »aber
ihre Wege, denke ich. Da gibt es einen Pfad über den Bergkamm zu einem anderen Fluss, und seine Ufer sind nicht unpassierbar. Ich habe nur winzige Anzeichen eines Überwegs gefunden, aber der Pfad ist nicht unbenutzt. Ich denke, dies könnte eine Antwort auf deine Suche sein, und vielleicht auch auf meine.«
    »Die … Schmuggler?«, fragte Laurence langsam, denn er verließ sich auf Temeraires Intuition.
    Tharkay zögerte und sagte dann: »Du denkst sicher, ich bin sehr verschlossen gewesen, wenn auch nicht so schweigsam, wie ich es selbst von mir erwartet

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