Drachenfutter
Aahz wirkte überrascht und erfreut. »Das bedeutet, daß es dir vermutlich nicht gelingen kann, beiden zu gefallen. Du wirst einem der beiden schöntun müssen ... oder noch besser den einen beleidigen, damit sicherst du dir das Wohlgefallen des anderen schneller als mit allen anderen Mitteln. Welchen möchtest du nun für dich gewinnen?«
Das war leichter als die erste Frage.
»Den General«, erklärte ich unumstößlich.
»Falsch! Den Kanzler willst du.«
»Den Kanzler!« rief ich und stieß die Worte lauter als beabsichtigt hervor. »Hast du die große Axt gesehen, die der General mit sich herumschleppt?«
»Hmm«, antwortete Aahz. »Hast du gehört, wie es dem Burschen erging, der seinen Auftritt vor dem alten Rotmantel hatte?«
Ich machte die Augen zu und verkniff mir meine erste, bissige Erwiderung.
»Aahz«, sagte ich vorsichtig. »Erinnerst du dich an mich? Ich bin Skeeve. Ich bin derjenige, der nicht ein Flüstern in anderthalb Kilometer Entfernung hören kann.«
Wie üblich ignorierte Aahz meinen Sarkasmus.
»Der letzte Bursche bekam nicht einmal die Gelegenheit, sein Zeug vorzuführen«, klärte er mich auf. »Der Kanzler warf einen Blick auf die Schar, die er mitgebracht hatte und fragte ihn, wie viele Leute er in seinem Gefolge hätte. >Acht<, sagte der Mann. >Zu viele!< antwortete der Kanzler, und der arme Kerl wurde sogleich abgewiesen.«
»Das heißt?« fragte ich grob.
»Das heißt, daß der Kanzler derjenige ist, der die Finanzen überwacht«, folgerte Aahz. »Und das heißt darüber hinaus, daß er größeren Einfluß besitzt als der General. Schau dir diese dummen Mauern an. Glaubst du, ein Militär würde eine Mauer halbfertig stehen lassen, wenn er das Sagen hätte? Jemand kam zu dem Schluß, daß ihr Bau zu große Summen verschlang, so daß das Projekt vertagt oder aufgegeben wurde. Ich wette, dieser Jemand war der Kanzler.«
»Vielleicht sind ihnen die Steine ausgegangen«, schlug ich vor.
»Jetzt komm aber, Kind! Nach allem was wir seit der Grenze gesehen haben, besteht der größte Teil der landwirtschaftlichen Erträge dieses Königreiches aus Steinen.«
»Aber der General ...«
Während ich sprach, schaute ich wieder in die Richtung des Generals. Zu meiner Überraschung und meinem Mißfallen starrte er mich direkt an. Und sein Blick war keineswegs freundlich.
Ich zögerte einen Moment und hoffte, daß ich mich täuschte. Der Blick des Generals blieb starr auf mich gerichtet und seine Miene wurde nicht freundlicher. Wenn sie sich überhaupt veränderte, so höchstens, daß sie noch widerlicher wurde.
»Aahz ...« zischte ich verzweifelt, ohne meinen Blick vom General wenden zu können.
Nun starrten auch der König und der Kanzler in meine Richtung, nachdem sie durch den General aufmerksam geworden waren.
»Kind!« stöhnte Aahz neben mir. »Ich sagte dir doch, du solltest etwas mit dem Spieß unternehmen!«
Die Pike! Ich hatte sie völlig vergessen!
Ich löste meinen Blick vom General und schaute so unauffällig es ging hinter mich.
Butterblume und Gliep standen immer noch geduldig hinter uns und über ihnen schwebte fröhlich die Pike des Wachmannes. Ich schätze, es war schon ein bißchen auffällig.
»Du!«
Beim Dröhnen dieser Stimme kehrte ich mich dem Pavillon zu. Der General war vorgetreten und deutete mit gewaltigem Finger auf mich.
»Ja, du!« brüllte er, als unsere Blicke sich wieder begegneten. «Wo hast du diesen Spieß her? Er gehört der Palastwache.«
»Ich glaube, jetzt hast du gleich deinen Auftritt, Junge«, murmelte Aahz. »Gib dir alle Mühe, daß sie gerade so von den Socken sind!«
»Aber ...«, widersprach ich.
»Das erübrigt uns das Schlangestehen!«
Mit diesen Worten trat Aahz einen großen Schritt zurück. Der Effekt war der gleiche, als wäre ich einen Schritt vorgetreten, was ich definitiv nicht getan hatte. Doch da nun die Aufmerksamkeit des ganzen Hofes auf mich gerichtet war, hatte ich keine andere Wahl, als den Sprung zu wagen.
6
»That's entertainment!«
VLAAD DER PFÄHLER
Ich kreuzte die Arme vor der Brust und ging gemessenen Schrittes auf den Pavillon zu.
Aahz hatte darauf bestanden, daß ich diesen Gang einübte. Er sagte, damit würde ich sicher und selbstbeherrscht wirken. Im Augenblick, da ich nun tatsächlich vor einen König trat, stellte ich fest, daß mir dieser Gang weniger als Demonstration von Arroganz diente als dazu, die Schwäche in meinen Beinen zu verbergen.
»Nun?« polterte der General vor mir drohend.
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