Drachenfutter
Alles, was unsere Späher mit Sicherheit über die Geheimwaffe sagen konnten, war, daß sie riesig und schwer war.
Gus erbot sich, einen Rundflug über der Kiste zu machen und hinein zu spähen, doch wir lehnten diese Idee ab. Da die Kiste sich ständig inmitten der Soldatenschar befand, bestand keinerlei Möglichkeit, daß der Wasserspeier diesen Auftrag unbeobachtet hätte ausführen können.
Bislang hatten wir seine Zugehörigkeit zu unserem Team geheimgehalten, und dabei wollten wir es auch belassen.
Selbst wenn wir ihn mit meiner oder Aahzens Gestalt getarnt hätten, wäre dadurch offenkundig geworden, daß einer von uns fliegen kann. Wie Aahz erklärte, würde diese Schlacht schwer genug werden, ohne daß wir den Gegner über den Umfang unserer Fähigkeiten vorwarnten.
Strategisch war das ganz richtig und klang unwiderlegbar logisch. Doch es beruhigte mich auch kein bißchen, während Aahz und ich standen und warteten, daß Antonio seinen Eröffnungszug machte. »Ganz ruhig, Kerlchen«, murmelte Aahz. »Du siehst nervös aus.«
»Ich bin nervös«, gab ich zurück. »Wir stehen hier und warten auf den Kampf, ohne zu wissen, gegen wen und was wir zu kämpfen haben. Du wirst schon entschuldigen, wenn mich das ein wenig unsicher macht.«
Mir wurde bewußt, daß ich ungerechtfertigt grob zu meinem Lehrer war. Ajax und Gus standen parat, Brockhurst und Tanda hielten nach neuen Entwicklungen Ausschau. Der einzige nicht eingesetzte Mannschafts-angehörige an diesem Morgen war der Gremliner, doch ich hielt es für am klügsten, dies Aahz gegenüber nicht zu erwähnen. Ich nahm an, daß unser schwer faßbarer, blauer Freund irgendwo mit Gliep unterwegs war, denn mein Haustier war ebenfalls nirgends zu sehen.
Alles was vorbereitend getan werden konnte, war geschehen. Und doch fühlte ich mich unwohl. »Sieh es mal von der Seite«, versuchte Aahz erneut, mich aufzumuntern. »Zumindest wissen wir, womit wir es nicht zu tun haben.
Soldaten wurden nämlich nicht gegen uns eingesetzt. Zwar wurde eine große Menge von ihnen in der Nahe zusammengeschart, doch offensichtlich unternahm man keinen Versuch, sie für eine Schlacht zu bewaffnen oder aufzustellen. Als die abgesprochene Zeit näherrückte, wurde klar, daß sie nur als Zuschauer für den bevorstehenden Kampf gedacht waren.
»Ich glaube, ich hätte es lieber mit Soldaten zu tun«, sagte ich mürrisch.
»Kopf hoch, Kind«, gab Aahz zurück und stieß mich mit dem Ellbogen an. »Was immer uns bevorsteht, jetzt kommt es.«
Ich wußte, was er meinte, und es gefiel mir nicht. Es blieb mir jedoch keine Zeit zum Nachdenken. Antonio war gerade aufgetaucht. Er bog um die eine Ecke der Mammutkiste und war mit einem verdächtig aussehenden Typen in Kapuzenumhang ins Gespräch vertieft. Er warf uns einen kurzen Blick zu, lächelte und winkte fröhlich.
Wir winkten nicht zurück.
»Das gefällt mir alles gar nicht, Kerlchen«, knurrte Aahz. Mir auch nicht, aber lins blieb nicht viel anderes übrig als zu warten. Antonio beendete sein Gespräch mit dem Fremden und trat zurück, wobei er die Arme vor der Brust verschränkte. Der Fremde winkte ein paar der zuschauenden Soldaten beiseite, dann trat er ebenfalls zurück. Er richtete sich auf und begann, auf merkwürdige Weise mit den Händen zu wedeln. Dann trug der Wind mir die Geräusche zu, und ich begriff, daß er sang.
»Aahz«, keuchte ich. »Sie haben einen eigenen Zauberer aufgetrieben.«
»Ich weiß«, grinste Aahz zurück. »Aber nach allem, was ich hören kann, blufft er genauso wie du am Hof von Possiltum. Er verfügt vermutlich über ebenso wenig Kräfte wie ich.«
Kaum hatte mein Lehrer seine Bemerkung gemacht, als die uns zugerichtete Wand der riesigen Kiste sich langsam zu Boden senkte. Zu sehen war nun im Innern des kräftigen Behältnisses ein Drache.
Die Kiste war riesig gewesen, über drei Meter lang und sechs Meter hoch, doch so wie der Drache aussah, mußte er ganz schön zusammengekauert gewesen sein. Er war riesenhaft! Ich meine wirklich riesenhaft!
Ich habe mir niemals Illusionen über Glieps Größe gemacht. Wenn seine Länge von drei Metern hier auf Klah auch gewaltig erscheinen mag, so hatte ich auf Tauf Drachen gesehen, neben denen er klein aussah. Doch neben dem Drachen, den wir hier vor uns hatten, mußte alles zwergenhaft erscheinen, was ich je gesehen hatte. Er war über die ganze Länge blaugrün und weit schlangenähnlicher, als ich das bei Drachen gewöhnt war. Er hatte kräftige
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