Drachengasse 13, Band 03
wieder.
„An der Spitze des Gebäudes befinden sich zwar weitere Öffnungen“, fuhr der zweite Soldat fort, „aber die sind ebenfalls zu schmal. Auch aus der Luft gibt es für uns also keine Möglichkeit, ins Innere des Baus einzudringen.“
„Großartig“, knurrte Feylor ungehalten. Sein Blick haftete auf dem rotbraunen gewaltigen Bau, als hoffe er, von ihm die Antworten zu erhalten, die er nirgends fand. „Einfach großartig. Und wie soll ich bitte sehr die Würdenträger da rausholen? Ich weiß ja nicht einmal genau, was hinter diesen Wänden vor sich geht.“
Sando ahnte, dass die Bemerkung nicht den Männern gegolten hatte. Feylor machte nur seinem Frust über die eigene Ratlosigkeit Luft. Obwohl er den Mann nicht leiden konnte, verstand er ihn in diesem Moment gut. Das Verhalten der Xix gab wohl so ziemlich jedem in Bondingor Rätsel auf. Nie zuvor hatte man die Insektenwesen so unbeherrscht und gefährlich erlebt.
Neben ihm wurde Fleck langsam unruhig. Er machte sich sicher ebenfalls Sorgen um ihre Freunde.
„Mir geht’s wie dir“, flüsterte Sando ihm zu. „Die Burschen sind uns keine Hilfe. Wir müssen selbst einen Weg ins Innere finden, wenn wir Tomrin und Nissa retten wollen.“
Das war einfacher gesagt als getan. Wenn die Stadtwache behauptete, alle Eingänge seien versperrt, war das auch so. Es deckte sich mit seinen eigenen, weniger umfangreichen Beobachtungen. Sando kratzte sich am Kinn. Denk nach, Junge , befahl er sich. Wie kommt man in ein Haus, dessen Türen und Fenster geschlossen sind und dessen Bewohner gar keinen Besuch haben wollen? Wäre er nicht im Xix-Gebiet, sondern im heimischen Hafenviertel, wo er nahezu jede Hausecke und jeden Pflasterstein kannte, würde er es über das Dach versuchen und nach einem Schornstein Ausschau halten, durch den sich klettern ließe. Aber der Bau hat keinen Schornstein, und die Öffnungen an seiner Spitze sind viel zu schmal für mich.
„Nun denn“, sagte Feylor und nickte seinen Männern zu. „Ich schlage vor, wir gruppieren uns neu. Sichert das Gelände, so gut es geht, und sorgt nach bestem Ermessen dafür, dass sich die dem Wahnsinn verfallenen Xix nicht selbst oder gegenseitig verletzen. Ich mache derweil eine weitere Runde und schaue, wie es überall aussieht.“
Die Soldaten nahmen Haltung an. „Ja, Herr.“
Dann trennten sie sich. Feylor von Garsting verschwand in östlicher Richtung, die zwei anderen Männer verloren sich in den kleinen Gassen zwischen den Nebenbauten. Dort, wo die Xix wüteten.
Als die Luft wieder rein war, wagten Sando und Fleck es, aus ihrem Versteck hervorzukommen. Sando sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. Lauerte nirgendwo ein wilder Xix? Versuchte auch niemand, sie hinterrücks anzugreifen?
Dann entspannte er sich. All die Jahre als Straßenkind zahlten sich heute offenbar aus. „Solange du nicht zum Nachtfresser wirst, sind wir wohl im Moment vor einer Entdeckung sicher“, sagte er zu Fleck.
Der Gedanke ließ ihn den Jungdrachen argwöhnisch mustern. Nein, noch wirkte Fleck ruhig, und es schien keine Gefahr zu bestehen, dass er sich in den grausigen Nachtfresser verwandelte. Seit einmal ein Zauber fehlgeschlagen war, wurde er zum riesigen Drachenungeheuer, wann immer er sich fürchtete. Er blieb dann zwar innerlich der harmlose Jungdrache, doch sein Körper wuchs immens – zu stark, als dass Sando ihn zwischen den Nebenbauten hätte verbergen können. Und er konnte plötzlich fliegen.
Sando seufzte. „Wie kommen wir bloß da rein?“
„Warum solltet ihr das wollen?“
Erschrocken wirbelte Sando herum. Die Stimme kam von hinten und war von derart eindeutigen Klicklauten begleitet, dass sie nur von einem Xix stammen konnte. Tatsächlich stand keine drei Schritt von ihm und Fleck entfernt eines der mysteriösen Wesen. Er hatte es gar nicht kommen hören. Das konnte gefährlich werden …
„Wer seid Ihr?“, fragte Sando schroff, und seine rechte Hand glitt zu dem Dolch an seinem Gürtel. „Was wollt Ihr von uns?“
„Das könnte ich dich genauso gut fragen“, gab der Xix zurück. Er war von kleinerem Wuchs als jeder andere Vertreter seines Volkes, der Sando bislang untergekommen war. Und irgendwie wirkte er eher neugierig als wahnsinnig.
Ein Kind , schoss es dem Straßenjungen durch den Kopf. Das ist ein Kind.
Langsam nahm er die Hand vom Dolch. „Ich bin Sando vom Klan der Wasserheber, und das ist Fleck. Unsere Freunde sind hinter diesen Wänden gefangen, und wir suchen einen Weg,
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