Drachengasse 13, Band 03
quäkte abermals. Es klang nun lauter als gerade eben, bestimmter. Und es zeigte überraschende Wirkung! Wie aufs Kommando ließ Pip sich fallen. Kurz über Flecks ausgestreckter Klaue breitete sie die Flügel wieder aus, bremste ihren Sturz ab und landete graziös darauf. Dann streckte sie Hanissa ihren kleinen Kopf entgegen und öffnete das Maul. Bedien dich, schien sie zu sagen.
„Ich fass es nicht“, murmelte Quox. „Da laufen wir dem Vieh eine halbe Ewigkeit hinterher, und alles, was es brauchte, war das Quäken eines Drachens.“
Hanissa wusste selbst nicht, ob sie lachen oder schimpfen sollte. „Es gibt eine Sache, die wohl für alle kleinen Drachen in ganz Mintaria gilt“, sagte sie leise, den Blick auf Pip und den geduldig ausharrenden Fleck gerichtet. „Wenn sie spielen wollen, wollen sie spielen.“
„Oh ja“, brummte Tomrin.
Hanissa nahm das Tuch der Königin und trat damit auf Pip zu.
„Und jetzt?“, wollte Quox wissen. „Zutat eins wäre gesichert. Wohin gehen wir als Nächstes?“
„Da die Zeit drängt, schlage ich vor, wir trennen uns“, antwortete Tomrin. „Eine Gruppe geht in die Hallen der Heilung, die zweite sucht nach dem Gnädigen Gelee, von dem du berichtet hast, Quox.“
„Dann schließe ich mich der ersten an“, sagte dieser. „Der Weg zu den Hallen ist weit schwerer zu beschreiben als der zu den Brutkammern. Oder ihr nehmt einen Folomi.“
„Da ich die Hände schon voll Schleim habe, Jungs“, sagte Hanissa und zwinkerte Tomrin zu, „seid doch so nett und holt den von der anderen Sorte.“
Kapitel 8
Die Hallen der Heilung
„Alkohol, Verliermeinnicht-Tinktur und Eisenpulver. Alkohol, Verliermeinnicht … “ Hanissa hielt inne und zwang sich zur Ruhe. Sie würde schon nichts von dem vergessen, was sie für den Findezauber brauchte.
Sie befanden sich auf dem Weg hinauf in die dritte Ebene des Baus, die zusammen mit den Ebenen vier und fünf einen Großteil der verschiedenen Hallen der Heilung beherbergte. Laut Quox gab es mehr als zwei Dutzend unterschiedliche Heilergilden, die im Bau ihre Dienste anboten. Jede von ihnen war auf einem bestimmten Gebiet der Heilung besonders bewandert. Der junge Xix hatte vorgeschlagen, ihre Suche nach den Zutaten für den Findezauber bei der Gilde der Weißen Pillendreher zu beginnen, weil diese vor allem für die Herstellung von Arzneien für Wehwehchen aller Art verantwortlich war. Hanissa vertraute darauf, dass er wusste, wovon er sprach.
Zusammen mit Fleck huschten das Mädchen und der Xix-Junge durch die Gänge. Hanissa sorgte sich jetzt deutlich weniger, in eine Sackgasse oder einen Hinterhalt zu geraten, denn mit Quox hatte sie nicht nur einen kundigen Führer an der Seite, sondern mit Fleck auch einen Begleiter, der jede Art von Ärger schon witterte, bevor er ihnen auch nur nahe kam. Abgesehen davon gaben sich die meisten der vom Wahn befallenen Xix mittlerweile auch keine Mühe mehr, ruhig zu sein. Ihr wildes Fauchen und hungrig klingendes Mandibelklacken hallte durch die Gänge, lange bevor sie selbst in Sicht kamen, sodass es den dreien recht gut gelang, ihnen auszuweichen.
Vor ihnen gabelte sich der Korridor. Die Kreuzung war von Kampfspuren gezeichnet. Blutspritzer besudelten die Wände und den Boden, und eine blutige Schleifspur führte in einen der drei Gänge, die sich an dieser Stelle trafen.
Hanissa schlug die Hand vor den Mund und unterdrückte den Anflug von Übelkeit, der in ihr aufstieg. „Ich dachte, Xix töten keine Xix“, sagte sie gepresst.
„Das ist kein Xix-Blut“, verkündete Quox düster. „Xix-Blut ist nicht rot, sondern weiß. Ich fürchte, das hier stammt von einem Menschen … vielleicht von einem der Patienten aus den Hallen der Heilung, der vor seinen Pflegern zu fliehen versuchte.“ Der junge Xix erschauerte. „So etwas hätte niemals geschehen dürfen.“
„Ihr könnt doch nichts dafür“, versuchte Hanissa, ihn zu trösten. „Der Entführer der Königinlarve ist an allem schuld.“
„Dann hätten die Alten die Larve vielleicht besser beschützen sollen“, entgegnete Quox. „So wie ich das sehe, waren sie nachlässig. Nur weil noch nie etwas passiert ist, heißt das doch nicht, dass niemals etwas passieren wird. Jetzt haben wir die Katastrophe – und was wird alles nötig sein, das Ganze wiedergutzumachen?“
Das konnte Hanissa ihm auch nicht beantworten. Sie wusste nur eines: In diesem Zustand durfte das Volk der Xix nicht viel länger verharren, sonst bestand Gefahr
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