Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
meinte die Stimme zu e rkennen, aber da verwirrten sich seine Geda n ken. Die Gestalt auf dem Feld rannte jetzt zur Straße, während der Anfü h rer, ohne den Blick von Stephen abzuwenden, den dritten mit einer Geste zum Tor der Auffahrt dirigie r te. Hilflos musste Stephen mit anhören, wie der Ri e gel hochgehoben wurde und die Gestalt hindurc h schlüpfte.
    Stephen kam sich von dem Blick des Anführers durchbohrt vor wie ein Fisch von einer Harpune. Seine Muskeln zuckten krampfhaft – einmal, zwe i mal –, und plötzlich konnte er sich unter einer r a schen Aufbietung von Willenskraft befreien. Er ließ sich vom Fensterbrett nach hinten ins Zimmer fallen und landete mit einem betäubenden Aufprall auf dem Teppich.
    Als er dann die Augen aufschlug, fand er sich in der gewöhnlichen Dunkelheit wieder.
    Die Schmerzen in den Augen waren weg. Irgen d wo unten, im Garten oder vielleicht sogar im Haus, bewegte sich ein Mensch mit der Seele eines Reptils.
    Er stand auf und stürzte sich aufs Bett. Dann riss er die Schublade von seinem Nachttisch auf und suchte zwischen Taschentüchern, Comics, CDs und Tennisbällen herum. Die Taschenlampe war ganz hinten, er schnappte sie sich mit einem Schnauben der Erleichterung, und gleichzeitig schlossen sich die Finger seiner anderen Hand um den Spazierstock seiner Großmutter, der an der Wand lehnte.
    Er richtete sich auf und lauschte.
    Im Haus war es still. Kein Laut drang von draußen durchs Fenster.
    Stephen ging hinaus auf den Treppenabsatz und lauschte.
    Schweigen.
    Das Treppenhaus war von undurchdringlicher Schwärze erfüllt. Plötzlich überkam ihn die schrec k liche Versuchung, über d as Treppengeländer nach unten in den dunklen Teich der Diele zu schauen. Mit Grauen stellte er sich die Gestalt vor, die dort unten vielleicht wartete und lauerte …
    Nein.
    Er schüttelte zornig den Kopf, als müsse er einen Bann brechen. Fantastereien nützen nichts. Er musste diese scheußlichen Seelen vergessen und auch seine Angst vor ihnen. Vor allem durfte er nicht auf den BLICK umschalten, wenn er sie mit ihren menschl i chen Gesichtern ertappen wollte. Sie konnten zwar im Dunkeln sehen, aber nicht um Ecken herum. S o lange er nicht in ihr Sichtfeld geriet, hatten sie ihm gegenüber keinen Vorteil.
    Die Haustür war zugeschlossen, er hatte niema n den hereinkommen hören. Es blieb noch genug Zeit, um Michael zu wecken. Sarah wollte er vorläufig aus dem Spiel lassen. Er hob den Stock und ging lautlos den Flur entlang, an der Badezimmertür und am Zimmer seiner Schwester vorbei zu dem Durchgang, an dessen Ende nach dem Gästezimmer Michaels Zimmer lag.
    Vor der Tür blieb er stehen.
    Er sah zurück in den schwarzen Durchgang. Das Ende konnte man nicht sehen, nur einen schwarzen Fleck. Hatte er da nicht eben etwas gehört? Er hätte so gern den BLICK eingesetzt oder die Taschenla m pe angeknipst – aber er widerstand dem heftigen Drang.
    Er wartete.
    Da – ein kaum wahrnehmbares Geräusch. Ein schwaches Kratzen: Fingernägel auf Glas.
    Skkkrt, skkkrt, skrrrt.
    Das kam aus Michaels Zimmer.
    Stephen fluchte lautlos.
    Leise, leise wechselte er die Taschenlampe in die rechte Hand, drehte den Türknauf und schob ganz langsam die Tür auf, die n ach innen aufging und se i ne Sicht ins Zimmer versperrte. Als der Spalt breit genug war, nahm er die Lampe wieder in die rechte Hand, beugte sich nach vorn und linste um die Türkante.
    Mit einem Blick sah er, dass Michaels Bett leer war, die Bettdecke lag zu zwei Dritteln auf dem Fu ß boden. Die Nachttischlampe war an und lag daneben, halb unters Bett gerollt, und verbreitete über dem Teppich einen seltsam unterirdischen Schein.
    Als er den Kopf weiter durch den Türspalt schob, sah er seinen Bruder. Michael stand am Fenster und presste die Finger gegen die Scheibe. Er reckte den Hals nach vorn, seine Stirn lehnte am Glas. Obwohl Stephen Michaels Augen nicht sehen konnte, verriet Michaels Haltung äußerste Konzentration.
    Draußen war etwas, direkt hinter dem Glas. Eine Gestalt in der Nacht, teilweise durch Michaels Kopf verdeckt, sehr dunkel und reglos. Dieses Etwas krat z te am Glas.
    Skkkrt, skkkrt, skrrrt.
    Bei jedem Kratzen pochten Stephens Augen vor lauter Drang, auf den BLICK umzuschwenken. Seine Finger umklammerten die Taschenlampe fester.
    »Michael«, flüsterte er heftig. »Weg da!«
    Michael gab kein Zeichen, dass er ihn gehört hatte. Sein Gesicht blieb dicht an die Scheibe gepresst und war nicht zu erkennen. Aber seine Hand

Weitere Kostenlose Bücher