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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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los?
    Dieses Abpausen … Sie beugte sich darüber und prüfte es aus der Nähe. Ein grob skizzierter Kopf, wenig mehr als ein Oval mit zwei Punkten und e i nem Strich für den Mund.
    Plötzlich fuhr sie herum: Alle an die Wand g e pinnten Blätter waren Zeichnungen, Kopien und F o tografien vom restlichen Kreuz, in allen möglichen Vergrößerungen, mit Anmerkungen in rotem Fil z stift, Diagrammen, gelben Markern – und daneben ältere Dokumente, Skizzen und amtliche Messtisc h blätter vom Wirrim.
    Oh, Tom, dachte sie. Du hattest recht. Aber warum zum Teufel tun sie das?
    Ein besonderes Blatt fesselte ihre Aufmerksa m keit. Es war offensichtlich ein Querschnitt durch ein Stück Erdboden. Auf einer gebogenen Linie standen Strichmännchen. Darunter hing eine Fotokopie des Tiers, das auf dem Ornament in der Mitte des Kre u zes abgebildet war …
    Ein Geräusch.
    Von der Treppe.
    Ein Brett knarrte.
    Oh nein.
    Wo konnte sie sich verstecken? Draußen im Flur? Nein – da kamen sie ja gleich vorbei. Hinter einer Tür – da hinten? Klein. Vielleicht im Wandschrank. Den Knauf drehen. Dreht er sich? Ja. Schnell, hinein.
    Eine winzige Kammer. Dunkel. Sarah stand da mit dem Rücken zur Tür. Hitze schlug ihr entgegen, ihr war, als würde man sie gegen einen Heizungskörper drücken. Ein säuerlicher Geruch stach ihr in die Nase und ließ sie zusammenzucken.
    Dann gewöhnten sich ihre Augen an das Dunkel.
    Ein alter Mann lag auf einem Bett.
    Er lag auf dem Rücken, die langen dünnen Arme an den Seiten, ausgestreckt wie eine Steinfigur auf einem Sarkophag. Er war schrecklich mager, ein weißes Tuch bedeckte den Körper, aber die Rippen zeichneten sich unter dem Stoff ab. Die Lippen w a ren hochgezogen und die Augen geschlossen.
    Die große Hitze entströmte dem Körper. Sie kam in Wellen, die gegen Sarahs Schläfen hämmerten und ihren Mund austrockneten. Zu Tode erschrocken stand sie da und konnte weder denken noch handeln. Als ihre letzten Willenskräfte schwanden, sank ihr Unterkiefer herab.
    Dann hob der Körper den Kopf und sah mit bli n den Augen zu ihr hin.
    Sarah stieß einen entsetzten Schrei aus und griff verzweifelt nach dem Knauf hinter sich, riss daran und zog die Tür auf. Sie rannte an dem Kreuz vorbei in den Flur. Irgendwo hinter ihr war eine schnelle Bewegung. Ihr Atem kam in keuchenden Schluc h zern, als sie immer drei Stufen auf einmal die Treppe hinuntersprang. Auf halber Höhe stolperte sie und plumpste mit dem Po auf die letzten Stufen.
    Einen Augenblick blieb sie unten an der Treppe liegen, dann zwang sie sich auf die Füße. Doch da kam ein Mann aus dem Zimmer am anderen Ende der Diele. Sarah floh durch den Durchgang, die St u fen zu der Waschküche hinunter und weiter in den Kuhstall. Schwere Schritte erklangen hinter ihr auf den Steinfliesen. Sie flitzte an den Boxen vorbei in den Hof, wieder durch einen Gang, um eine Ecke …
    In einen leeren Werkzeugschuppen. Verwirrt blieb sie stehen. Hier war sie nicht vorhin entlanggeko m men.
    Dreh dich um. Durch diese Tür. Nein. Versperrt. Oh Gott. Versuch es mit der hier. Eine Scheune. Kein Ausgang. Aber eine Leiter … hoch zum He u schober. Schnell. Leise jetzt, nicht auf verfaulte Ba l ken treten. Stehen bleiben. Lass dich nicht sehen. Sieht er mich?
    Stille.
    Sarah war eine Statue in dem gelbbraunen Dunkel eines Heuschobers. Draußen erklangen gedämpfte Schritte. Ein unterdrückter Fluch.
    Wieder Stille.
    Sarah stand da. Die Luft war voller Heustaub. In ihrer Nase begann ganz oben ein leichtes Zittern. Sie kniff sich in die Nasenflügel und schloss die Augen, während sie betete.
    Das Jucken war jetzt in ihrem Hals, ihre Augen begannen zu tränen.
    Oh Gott, jetzt nicht, verdammt.
    Das Zittern in der Nase wuchs, und mit schwi t zenden Fingern kniff sie die Nasenflügel noch fester zusammen. Ihre Schultern bebten vor Anstrengung, das drohende Niesen zu unterdrücken.
    Bitte …
    Dann nieste sie.
    Zweimal.
    So leise sie konnte.

 
     
    28
     
    Michael wartete auf der Veranda, bis er das Auto auf der Straße näher kommen hörte. Dann lief er die Auffahrt runter zum Tor. Das Auto hielt am Straße n rand an, und Mr Cleever lächelte durch das Fenster zu ihm hoch.
    »Wie überaus schön, dich zu sehen, Michael«, sagte er. »Möchtest du einsteigen?«
    Er beugte sich herüber und öffnete die Beifahre r tür. Michael lief vorn um das Auto herum und stieg ein. Mr Cleever drehte in der Auffahrt um, fuhr am Gasthof vorbei und bog dann scharf rechts in einen

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