Drachenglut
Tür stände offen, weil das Licht hindurchschien, aber die Umrisse des Lichtes waren irgendwie merkwürdig. Dann sah er den Grund.
Die Asche zu seinen Füßen war noch warm, als er durch das von verbranntem Holz eingerahmte Loch schaute. Er ging nicht hinein.
Eine Zeit lang saß er auf dem Sofa und erlaubte sich eine Heulpause, aber bald meldete sich wieder sein Sinn fürs Prakti s che. Er ging in die Küche, trank drei Gläser Wa s ser und suchte sich etwas zu essen. Er kaute ein paar Minuten auf einem Müsliriegel herum, dann ging er hoch und holte seinen Rucksack. Er füllte ihn mit Müsliriegeln, Äpfeln, Chips, Sch o kolade und mit drei ungeschickt abgesäbelten und in Frischhaltefolie eingewickelten Schinkenbroten. A u ßerdem packte er noch eine Flasche Wasser dazu. Er lief in sein Zi m mer und durchsuchte eine Schublade, fand ein Schweizer Offiziersmesser, seine Tasche n lampe und einen dicken Winterpullover. Das kam auch noch hinein.
Dann verließ er das Haus und schloss die Tür ab.
Der Biertrinker saß mit einem neuen vollen Glas immer noch vor der Kneipe.
»He, hallo!«, sagte er. »Geht dir ja schon wieder besser, mein Kleiner.«
»Jack, haben Sie Mr Cleever hier entlangfahren sehen?«
»Ja. Aber das war schon bevor du hier schnaufend angerannt kamst.«
»Ich weiß. Saß mein Bruder auch in dem Auto?«
»Jawohl. Du glaubst doch nicht etwa, dass der Gemeinderat ihn gekidnappt hat, was?«
Stephen war jetzt alles egal. »Doch, das hat er. I r gendeine Idee, wohin sie gefahren sind?«
»Leider keine Ahnung. Was ist denn los, Stevie? Was geht da ab? Tu nicht so hochnäsig, Junge. Sag’s mir!«
Stephen lief weiter. Nach wenigen Metern wurde er beinahe von Toms alter Rostlaube überfahren, weil der viel zu schnell um die Ecke bog. Stephen machte einen Satz zur Hecke hin und wedelte mit den Armen. Tom blieb nach zehn Metern stehen.
»Du kommst zu spät.« Stephen verschwendete keine Worte, als er einstieg. »Du musst umdrehen. Sind sie nicht an dir vorbeigekommen?«
»Wer?« Tom sah wie betäubt vor sich hin.
»Cleever und Michael natürlich. Ich nehme an, du hast ihm alles erzählt. Dreh um.«
»Ich brauche Platz zum Wenden.« Tom fuhr we i ter.
Der Biertrinker sah sie verwundert vorbeifahren, auf dem Gästeparkplatz wenden und wieder zum Dorf zurückrasen.
Tom sagte: »Er hat mich gezwungen, alles zu s a gen. Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat. Er drang gewaltsam in meinen Verstand ein, und ich konnte hören, wie meine Gedanken losplapperten und ihm sagten, was wir vorhatten. Ich habe ihm von Michael erzählt und von Sarah … Gott steh mir bei, ich wage das gar nicht zu Ende zu denken. Hinterher war mir kotzübel.«
»Das wundert mich nicht. Er hat Michael befreit, die Tür ist niedergebrannt. Anscheinend beherrscht er auch das Zündeln.«
»Sie sind mir nicht begegnet.« Tom trat das Ga s pedal durch. Das Dorf kam auf sie zugeflogen. »Als ich … als es mir wieder gut genug ging, um Auto zu fahren, war sein Wagen weg, und seither hab ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Es gibt jede Menge Straßen, in die sie abgebogen sein können.«
»Wo sollen wir suchen?«
Tom konnte momentan keine Entscheidungen tre f fen. Alles an ihm fühlte sich wund und verletzt an, das Denken fiel ihm schwer.
»Wir versuchen es bei Cleevers Haus. Nur um s i cherzugehen. Obwohl ich nicht glaube, dass er dor t hin gefahren ist. Dann versuchen wir es beim Ha r draker-Hof.«
»Gut. Stephen, ich mache mir Sorgen wegen S a rah. Ich hab ihm gesagt … «
»Ja, ich weiß.«
Im Dorf parkte Tom am Rand des Angers, vor P i lates Laden. Er rannte hinüber zu Mr Cleevers Haus, während Stephen im Auto blieb. Auf dem Anger war jetzt nicht mehr so viel los, der Mann vom Kasperl e theater baute gerade die Bühne ab, die meisten Ki n der waren weg, und am Rand parkten nicht mehr so viele Autos. Fordrace kam langsam wieder zur Ruhe.
Stephen wurde von tiefem Unglück und Verzwei f lung überwältigt. Sein Bruder war verschwunden, und er konnte nichts dagegen tun. Was immer Cle e ver auch war – seine Macht war zu groß und die Ve r änderungen in Michael zu tief greifend, als dass St e phen noch hoffen konnte, er würde ihn zurückgewi n nen. Dazu war es zu spät. Und noch schlimmer: Er selbst veränderte sich auch. Seine Augen brannten vor Hitze, und manchmal kostete es ihn große Mühe, das unwillkürliche Wechseln des BLICKS und wi e der zurück zu beenden.
Nein, er hatte zum Weiterkämpfen keine Kraft mehr. Sollte
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