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Drachenglut

Titel: Drachenglut
Autoren: Jonathan Stroud
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diesmal sitzt Michael McIntyre neben ihm. Falls er es nicht war, war’s sein Zwillingsbruder, und ich kenne ihn lang genug, um mir da sicher zu sein. Jedenfalls kommt vielleicht fünf Minuten später sein Bruder vom Harris-Feld auf die Straße gerannt, mit roter Birne und keuchend, als ob der Teufel hinter ihm her ist. Er rennt an mir vorbei zum Haus und bleibt dann vielleicht zwanzig Minuten lang ve r schwunden, Zeit genug für mich, mir ein neues Bier zu holen und einen zur Brust zu nehmen. Dann kommt er wieder aus dem Haus und fragt mich: ›Jack, hast du George Cleevers Auto hier entlan g kommen sehen?‹, und ich sag ›ja‹. Da hat er mich so seltsam angeschaut, dass ich ihn gefragt hab, ob er glaubt, dass Cleever seinen Bruder gekidnappt hat, wo er doch Mitglied im Gemeinderat ist und so. Und da antwortet er – und zwar wortwörtlich: ›Ja, das hat er‹, und rennt zurück zum Dorf.«
    Der Erzähler machte eine Pause, um Luft zu holen, und die Menge stieß einen kollektiven Seufzer der Verwunderung über dieses Rätsel aus.
    Joe Vernon presste die Fingerspitzen langsam und bedächtig gegen das Metall der Autotür. »Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt, Jack? Das könnte ein entscheidender Hinweis sein.«
    »Hab ich glatt vergessen, wegen dem Feuer und dem Ganzen. Es ist mir erst wieder eingefallen, als Lew gesagt hat, dass du hinter den McIntyre -Jungs her bist.«
    »Wir suchen sie, das stimmt«, sagte eine Frau ve r bissen. »Nach allem, was sie angestellt haben.«
    »Es gibt keinerlei Beweis, dass irgendwer i r gendwas getan hat«, sagte Joe Vernon schnell. »Und es wäre nett, wenn ihr das nicht vergesst. Wir suchen lediglich nach Leuten, die verschwunden sind.«
    »Hat heute Morgen schon jemand George Cleever gesehen?«, fragte jemand.
    »Nee, den hab ich auch gestern Abend nicht ges e hen.«
    »Doch, der ist vorbeigekommen. Ich hab ihn ges e hen. Er hat sich kurz umgesehen und fuhr wieder weg.«
    Aus der Menge stieg ein Knurren auf, und ein paar Flüche waren zu hören. Gestern Nacht waren sogar kranke Männer aufgestanden und mit Besen und E i mern zur Brandstätte geeilt, um zu helfen.
    Joe Vernon ergriff wieder das Wort.
    »Jack, du sagst, du hast auch den Pfarrer gesehen. Stimmt das?«
    »Jawohl, und ich würde es dir auch erzählen, wenn ich mein eigenes Wort verstehen könnte.« Viele, b e sonders die älteren Dorfbewohner tuschelten laut und eindringlich miteinander.
    »Bitte! Mrs Gabriel, bitte!« Joe hatte seine Stimme zu einer bislang nie gehörten Lautstärke erhoben. Das Tuscheln erstarb. »Weiter, Jack.«
    »Sonst war da nicht viel. Stevie McIntyre ist in Richtung Fordrace gerannt. Aber gleich darauf war er wieder da, diesmal saß er im Auto neben dem Pfarrer. Er muss ihm unterwegs begegnet sein. Sie haben auf dem Parkplatz vom Gasthaus gewendet und schon waren sie wieder verschwunden. Das war doch nicht normal, was, Joe? Ich hab mir da erst noch mal ‘n Bier holen müssen.«
    Wieder stritten sich einige in der Menge über die Bedeutung dieser Enthüllungen.
    »Das muss direkt vor dem Streit mit Geoff Pilate gewesen sein«, sagte jemand.
    »Mr Pilate und Mr Cleever haben immer die Kö p fe zusammengesteckt«, sagte eine alte Frau. »Mr P i late hat ihn ständig besucht und viele Abende dort ve r bracht.«
    »Und wo sind die jetzt alle?«, fragte ein alter Mann. »Cleever, Pilate, diese Jungs und der Pfarrer? Die sind seit dem Feuer alle verschwunden.«
    »Irgendwas passt da nicht zusammen«, sagte Joe. »Wir wissen nicht, ob es zwischen diesen Vo r kommnissen eine Verbindung gibt.«
    Aber sein Herz wusste es besser. Er dachte wieder an die verbrannte Erde in dem Graben auf dem Kirchhof.
    »Ich werde Ihnen mal sagen, was es da für eine Verbindung gibt.« Mrs Gabriel war die Kleinste von allen und stand mitten in der Menschenmenge. Alles Gemurmel erstarb. »Der Pfarrer ist schuld an allem. Er hat das Kreuz ausgraben lassen, und dabei ist es zerbrochen. Ich hab ihm gesagt, wie gefährlich das ist, aber er hat ja nicht auf mich gehört. Und danach ist ein Unglück nach dem andern passiert: Die Kirche wurde entweiht, und schlimmer noch, ein Stück vom Kreuz wurde gestohlen, jetzt hat es gebrannt, und das war bestimmt nicht das letzte Mal. Der Pfarrer ist verschwunden – vielleicht tot – und die Feinde sind auf dem Vormarsch.«
    »Hört mal alle her«, sagte Joe Vernon, und alle wandten sich ihm zu. »Zunächst mal müssen wir daran denken, dass wir keine Beweise dafür
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