Drachengold: Roman (German Edition)
fuchsteufelswild und wetterte so über diesen Brief, dass ich schließlich die Beherrschung verlor und ihm an den Kopf warf, er könne mich ja selber heiraten oder sich zum Teufel scheren. Und hier bin ich nun! Ich kann Ihnen sagen, er hätte es schlechter treffen können, denn ich bin mir sicher, keine reiche Frau hätte auch nur den Schimmer einer Ahnung, wie man in einem Land wie diesem über die Runden kommen soll.«
Trotz ihres offenkundigen Mangels an Feingefühl war sie eine angenehme Tischnachbarin, vor allem im Vergleich zu dem bedauernswerten Geschöpf auf Laurence’ anderer Seite. Es hätte ihn sehr gewundert, wenn diese Miss Hershelm auch nur einen Tag älter als fünfzehn Jahre gewesen wäre. Anscheinend hatte man sie gerade rechtzeitig für diese Abendveranstaltung aus dem Klassenzimmer entlassen, und auch wenn sie eindeutig von besserer Herkunft und Bildung als Mrs Gerald war, war sie doch mit solcher Schüchternheit geschlagen, dass ihr Laurence trotz aller Anstrengung kaum eine Silbe entlocken konnte und sie nicht ein einziges Mal den Blick von ihrem Teller hob.
Laurence schien diese Festivität wenig geeignet für ein solches Kind, vor allem, weil die jüngeren Männer weiter unten am Tisch schon bald zu vergessen schienen, in welcher Gesellschaft sie sich befanden, und zu prahlen anfingen. Laurence sah, wie Mrs MacArthur einen scharfen Blick die Tafel hinunter auf die Männer warf und daraufhin ein kurzes Wort mit ihrem Butler wechselte. Sofort wurden Käse- und Früchteplatten als Beilage zum Pudding gereicht, was man als eine eher ungewöhnliche Zusammenstellung bezeichnen konnte. Laurence vermutete, dass zwei weitere Gänge vorgesehen und nun übersprungen worden waren. Allerdings hatte sich bislang niemand über die Speisefolge beklagen können: frisch gefangener Kaiserbarsch in einer Soße aus Zitronen und Orangen mit jungen Erbsen; eine exzellente geröstete Lammkrone, mit eingelegten Kirschen garniert, frische Kartoffeln in ihrer Schale an Kalbskotelett mit brauner Butter und ein ganzer Thunfisch, in Salzkruste gebacken, der die Hälfte des Tisches in Anspruch genommen hatte.
Kaum jedoch war der Pudding verspeist, erhob sich Mrs MacArthur, und in ebenso weiser Voraussicht lud Mr MacArthur nach dem Essen nur zu einer kurzen Portweinrunde und schlug beinahe umgehend vor, sich wieder zu den Damen zu gesellen.
Als sie in den Salon zurückkehrten, waren einige der Frauen, unter ihnen Miss Hershelm, verschwunden, wie Laurence erleichtert feststellte. Mrs Gerald aber kam zu ihm, packte ihn resolut am Arm und teilte ihm mit, sie habe vor, ihn mit allen akzeptablen jungen Damen der Abendgesellschaft bekannt zu machen.
»Es ist wirklich eine große Schande, dass Sie sich anscheinend bislang für keines der Mädchen erwärmen konnten«, sagte sie, »und es ist auch so unklug. Ich bin mir sicher, Sie könnten ein wenig angenehme Gesellschaft gebrauchen, und Sie müssen sich auch keine Sorgen machen, dass ich Ihnen ein ängstliches Frauenzimmer an den Hals werfe, das sich am Ende noch vor Drachen fürchtet. Miss Oakley, darf ich Ihnen Kapitän Laurence vorstellen?«
Laurence gelang es irgendwann, sich Mrs Geralds Vorhaben zu entziehen, indem er vorschob, selbst nicht in Frage zu kommen und außerdem bald abreisen werde. Erleichtert gesellte er sich zu Hammond, der in der Nähe der Balkontür stand, wo er sich mit einer der anderen Damen unterhielt: einer gewissen Mrs Pemberton, die auf ebenjener Überfahrt zur Witwe geworden war, die sie in die Kolonie geführt hatte, und die erst vor Kurzem die Trauerkleidung abgelegt hatte.
»Ich glaube nicht, dass wir es überhaupt in Erwägung gezogen hätten, wenn Elizabeth – Mrs MacArthur – nicht eine alte Schulfreundin von mir wäre«, antwortete sie, als sich Hammond verwundert darüber gezeigt hatte, dass sie eine solch lange Reise auf sich genommen hatte. »Aber Sie haben sich doch selbst in einem so weit entfernten Land wie China niedergelassen, wie können Sie denn da überrascht sein, dass andere Menschen ebenfalls mehr von der Welt sehen wollen als nur einen einzigen Pfarrbezirk in Devonshire und London für sechs Wochen im Jahr? Ich war froh über die Aussichten, als Elizabeth uns vorschlug, zu kommen und uns etwas Land übertragen zu lassen. Und ihr Ehemann hätte auch Arbeit für meinen Gatten gehabt. Aber für eine Frau allein gibt es hier nichts zu tun.«
Außer wieder zu heiraten, aber das sprach Mrs Pemberton nicht aus. Ihr beredter
Weitere Kostenlose Bücher