DrachenHatz
Ich war ausgewichen. Erstens ging ihn das nichts an, und zweitens schien er mir etwas blass um die Nase zu sein. Er hatte Almuth Pomerenke gemocht, da musste man sich nicht ausgerechnet auf ihrer Beerdigung über ihren Mörder unterhalten. Ich fand das ein wenig pietätlos, obwohl ich – zugegeben – natürlich auch aus ermittlungstechnischen Gründen hier saß. Und das Trauertrio Thomas, Greta und Arthur fand ich in dieser Hinsicht äußerst aufschlussreich.
»Es wird doch nicht schlimm werden, oder?«, raunte Fabian mit banger Stimme in mein Ohr. Dann druckste er herum, verlor noch ein bisschen mehr an Farbe und rang sich endlich zu der entscheidenden Frage durch. »Ich meine, so etwas geht doch schnell, nicht?«
Oh je, den Jungen beutelte die Furcht. Wahrscheinlich arbeitete er noch nicht allzu lange im Heim und war deshalb noch kein alter Beerdigungshase, der den Tod mit einem Schulterzucken wegsteckte.
Ich entschied mich bewusst für einen burschikosen Tonfall, um ihm ein Stück seiner Angst zu nehmen. »Hör einfach dem Pastor zu. Vielleicht haben wir ja Glück, und er schwindelt das Blaue vom Himmel über die alte Almuth herunter. Das ist meistens ganz witzig, wenn man die Leiche persönlich kennt.« Ich grinste ihn breit an. »Du hast allerdings Pech, weil die alte Frau tatsächlich ein feiner Kerl war, sonst ist das nämlich fast wie eine Show, wenn von der Kanzel ein Ekelpaket der besonderen Güteklasse noch postum in Florence Nightingale verwandelt wird.«
»Wer ist das denn?«, flüsterte er erstickt.
Das hätte ich Schaf mir doch denken können. Florence war Geschichte und seit über hundert Jahren tot. »Ein anerkannt guter Mensch«, erklärte ich ihm also. »So in etwa wie Mutter Theresa, nur vielleicht nicht ganz so heilig. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig.«
Denn der Pastor, ein dynamischer Mittdreißiger mit blondem Vollbart, einem lieben Gesicht sowie einer Redeweise, die einem innerhalb von zwei Sekunden die Füße einschlafen ließ, hub in diesem Moment mit seinem Monolog an und erzählte von Almuths Elbinger Zuhause, der schrecklichen Zeit der Flucht, den Jahren im dänischen Lager und wie schwer es anschließend gewesen sei, ganz auf sich gestellt die einzige Tochter großzuziehen.
Gretas schmale Schultern bebten bei diesen Worten mächtig, und Thomas fasste nach ihrer anderen Hand, während Arthur jetzt ganz ungeniert den Arm um sie legte und sie in einer fast schon besitzergreifenden Geste zu sich herüberzog. Rührend. Wirklich. Leiden aus Leidenschaft. Und die Männer litten unter einem schweren Anfall von Helfersyndrom. Greta genoss diesen Auftritt sicherlich sehr, und bei dem lieben Arthur wunderte mich lediglich eines: Dass er nicht in die Stille hinein mit einer Chipstüte raschelte und die erbaulichen Worte des Gottesmannes mit einem lauten Malmen unterlegte.
Thomas oder Arthur, überlegte ich unwillkürlich, während die Trauergemeinde um mich herum das erste Lied verbrach. Heutzutage kennt ja niemand mehr die alten Texte, und im Gesang üben sich nur die wenigsten regelmäßig. So hörte es sich denn auch an. Der Pastor dröhnte laut und textsicher, eine zittrige brüchige Frauenstimme tat es ihm nach, und der Rest begnügte sich mit einer Art brummender Untermalung. Doch als Musikkritikerin war ich nicht hier, sondern als Privatdetektivin, die vermutete, dass in der ersten Reihe eine Mörderin samt Helfershelfer saß.
Bei beiden Männern hatte ich nicht einmal den vagen Hauch einer Ahnung, was diese derart eng mit Greta verbinden konnte, dass sie einen Mord für sie begingen oder auf ihr Geheiß hin fremde Frauen zusammenschlugen. Handelte es sich tatsächlich um eine wie auch immer geartete Hörigkeit, wie Harry in Dänemark zu meinem Entsetzen vermutet hatte? Möglich, ich konnte diesem Gedanken mittlerweile völlig leidenschaftslos nachgehen, denn solch eine Abhängigkeit ist keinesfalls mit Liebe zu verwechseln. Und dass sich weder Thomas noch Arthur nach Greta verzehrten – also darauf hätte ich meine neu gewonnene Reputation als Bokaus erfolgreichste Privatdetektivin verwettet. Und Greta wiederum zeigte sich mit den beiden Männern völlig ungeniert, was umgehend zu der Frage führte, welche Absicht dahintersteckte. Spielte sie mit mir und all den anderen Zuschauern? Wollte sie mich an der Nase herumführen und fühlte sich dabei völlig sicher? Reizte sie vielleicht sogar das Risiko, sollte Thomas derjenige welcher sein, wenn sie hier vor meinen Augen mit
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