DrachenHatz
Dreifach-Null ihre Probleme hatten, Weltuntergänge fürchteten, kosmische Strahlungen oder Erdmännchen, die aus den Ritzen eventueller Kontinentalspalten kriechen und von der Sonne gelenkt werden. Schon in Russland tickt die Zeit anders, da dürfte so ein Geschöpf aus dem äußeren Saturnring noch ganz eigene Vorstellungen entwickeln und sich einen Dreck darum scheren, nach welchen Kriterien die westlich-christliche Zeit bestimmt wird. Aber darüber konnten wir uns ein anderes Mal unterhalten. Gretas Information war allerdings insofern wichtig, als sie mir das Denken von Haukes leiblicher Mutter verdeutlichte.
»Hältst du es deshalb für möglich, dass Haukes Erzeuger von der Existenz seines Sohnes gar nichts weiß?«, beschränkte ich mich auf die naheliegende Frage.
Greta nickte heftig. »Ich halte es sogar für sehr wahrscheinlich«, entgegnete sie eifrig, »gemeldet hat er sich jedenfalls nie. Na ja, dann hätte er natürlich auch sofort zahlen müssen.«
Gut, für manche Männer war das sicher ein ziemlich entscheidendes Argument, aber es gab doch auch andere. »Es war sein Kind«, wandte ich deshalb ein. »Vielleicht wünschte er sich sogar einen Sohn und hätte sich liebend gern um ihn gekümmert?«
»Nein. Das glaube ich nicht. So war es einfach besser für Hauke. Und möglicherweise hat der Mann selbst Familie und will von seiner Zufallsvaterschaft nichts wissen.«
Ich ließ es auf sich beruhen. Vielleicht plagte Greta in dieser Hinsicht ein schlechtes Gewissen, weil sie sicherlich nicht allzu viel unternommen hatte, um Haukes Vater ausfindig zu machen. Fair fand ich das nicht, aber das gehörte jetzt ebenso wenig hierher wie das Moni’sche Zeitverständnis.
»Lassen wir das einmal beiseite, denn du hältst es sowieso für wesentlich wahrscheinlicher, dass Haukes Erzeuger nichts von seinem Jungen wusste?«, ließ ich nicht locker. Ein enttäuschter, liebender Vater war motivmäßig gesehen natürlich ein heißer Kandidat.
»Ja. Weißt du, Moni machte damals ihre Ausbildung in Frankfurt. Sie lernte im Einzelhandel. Und wenn man vom Geburtstermin rückwärts rechnet, muss es in ihrem letzten Monat dort passiert sein. Danach zog sie wieder in den Norden, war schwanger und definitiv allein.«
»Und nach ihrem Unfall …?«
Greta schauderte unwillkürlich. »Es war ein Frontalzusammenstoß. Sie wollte Hauke von der Krippe abholen, und dabei ist es passiert. Es war entsetzlich, Hanna. Sie hat noch eine Woche auf der Intensivstation gelegen. All die Schläuche und Kanülen, überall piepste es, und sie rührte sich nicht. Schrecklich. Dann ist sie gestorben.«
»Du hast keinerlei Hinweis in ihren Unterlagen gefunden?«, bohrte ich weiter.
»Nein, der Name des Vaters fehlte auf der Geburtsurkunde des Kindes. Ich habe natürlich sofort nachgesehen. Und in all ihren anderen Dokumenten gab es ebenfalls keinen Vermerk.«
Eine Sackgasse also. Gut, dann würden wir diese Fährte eben zunächst nicht weiterverfolgen, sondern woanders buddeln. »In welchem Verhältnis standet ihr beide eigentlich zueinander? Und wie hieß sie richtig und mit Nachnamen?«
Greta lächelte mir anerkennend zu. »Du bist wirklich gründlich, Hanna. Also, Monika Strehler war ihr voller Name, und sie war eine um diverse Ecken angeheiratete Cousine von mir«, gab sie bereitwillig Auskunft. Ihr schien diese Fragerei erstaunlicherweise nichts auszumachen. Im Gegenteil, sie blühte fast ein wenig auf. Aber das war natürlich verständlich, alles ist schließlich leichter zu ertragen als diese quälende Untätigkeit und die angstvolle Warterei auf den nächsten Anruf.
Draußen krähte erneut der Hahn. Er gehörte einer jungen Familie in der Nachbarschaft, wie ich inzwischen in Erfahrung gebracht hatte, und hörte auf den Namen Pinkas. Die Eltern waren Resthof-Enthusiasten, bauten und schafften an ihrem maroden Haus, dass es eine Freude war. Und sympathisch waren sie auch. Ich hatte die Frau letztens mit den beiden Kindern bei Matulke getroffen. Sie kaufte sechs Cremeschnitten, was bekanntlich viel über den Charakter eines Menschen aussagt.
»Moni hatte sonst niemanden außer meiner Mutti und mir. Aber Mutti war natürlich schon zu alt, um einen kleinen Jungen aufzuziehen. Also habe ich Hauke zu mir genommen.« Es klang ganz selbstverständlich, und so, als habe sie gar keine andere Wahl gehabt.
»Toll«, sagte ich und meinte es ehrlich.
»Na ja, ich konnte den Kleinen doch nicht zu wildfremden Leuten geben. In eine Pflegefamilie
Weitere Kostenlose Bücher