DrachenHatz
oder in ein Heim.«
Doch, das hätte sie natürlich tun können, und viele hätten das sicherlich auch getan. Ich bewunderte sie wirklich sehr und sagte ihr das auch.
Greta legte den Kopf schief und lächelte versonnen. »Die meisten haben mich nicht verstanden, weil ich meinen Beruf für den Jungen aufgeben musste. Aber er war doch so verstört, da musste ich einfach für ihn da sein. Und ich wusste, was ich tat, Hanna, glaube mir. Ich habe den Kleinen lieben gelernt, auch wenn Hauke kein Kind war, das leicht um sich zu haben war.«
Wir kamen überein, in der folgenden Woche, sobald Gretas Wohnung nicht mehr einem Zwischenlager ähnelte, gemeinsam an die Westküste zu fahren, um mit der Recherche in Arlewatt zu beginnen, dem Örtchen, wo sie mit Hauke die letzten sieben Monate gewohnt hatte. Vielleicht stießen wir dort ja auf einen Hinweis, der uns weiterhalf.
Durch ihre beiden Scheidungen – die Exe lebten in Flensburg beziehungsweise Schleswig – war Greta häufiger umgezogen. Direkt vor Arlewatt hatte sie in Kappeln bei ihrer Mutter gewohnt. Doch die hauste mittlerweile in einem Heim. Freiwillig. Ich fand das äußerst bemerkenswert. Meine Mutter wäre eher zu meiner ehemaligen Schulkameradin Heidrun Bröske, die mit den dicken Waden und den zwei Schwiegermüttern, gezogen oder sogar zu ihrer verhassten Cousine Cornelia, die als Lehrerin in den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeitete, als sich in so eine »Verwahranstalt«, wie sie es nannte, zu begeben. Meine Villa und ich standen gottlob überhaupt nicht zur Debatte. Mit uns beiden wäre es keine drei Tage gut gegangen. Dann hätte man eine von uns abtransportieren müssen. Auf der Bahre. Aber das ist ja nichts Neues.
Bis Greta mit ihrer Wohnung so weit war, probierte ich weiter an meinem historischen Mehrteiler-Exposé herum, doch es war wie verhext, so richtig wollte da einfach nichts gelingen. Alles, was die LaRoche zu Papier brachte, wirkte uninspiriert: Das Seelchen Sisi kam und kam nicht zu Potte, sondern übte sich im Hungern und ließ pausenlos seine meterlangen Haare kämmen, der fesche Graf Richard entpuppte sich als strunzdämliches Jüngelchen mit miesen Manieren, und Camilla trante in irgend so einem Kuhdorf vor sich hin und unternahm keinerlei Anstalten, nach Wien aufzubrechen, um eine reife Persönlichkeit zu werden. Hanna fing langsam an, die Geduld zu verlieren. Und Vivian, das blöde Huhn, nahm das prompt persönlich und verweigerte komplett den Dienst.
Und Harry ließ auch nichts von sich hören. Thomas allerdings schon.
Greta und ich starteten an einem Dienstag Richtung Westküste. Es nieselte und war kalt, doch beides tat unserem Tatendrang keinen Abbruch, zumal sich der Anrufer bislang nicht wieder gemeldet hatte, weshalb Greta offensichtlich die leise Hoffnung hegte, dass ich ihn für immer verschreckt hatte. Ich wusste es besser.
»Was ist denn dein Ex Nummer eins für ein Typ?«, fing ich deshalb gleich an, kaum dass die Arme neben mir saß und wir losdüsten. »Also mal abgesehen davon, dass du nicht mehr mit ihm zusammenleben willst, meine ich«, verdeutlichte ich mein Anliegen zur Sicherheit noch einmal.
»Arthur?«, fragte Greta überrascht, als wir auf die Bundesstraße Richtung Kiel einbogen. »Der ist eher ein Ruhiger, ein behäbiger Mensch, den nichts so schnell aus der Fassung bringt.«
»Mmh. Hat er Hauke gemocht? Er kannte ihn doch, oder?«
»Oh ja, natürlich. Wir waren ja noch verheiratet, als ich Hauke zu uns nahm.« Sie starrte sekundenlang in das trübe Grau hinaus, das den mittlerweile überall blühenden Narzissen einen erheblichen Teil ihres Charmes nahm. »Arthur hat Hauke gemocht. Anfangs ging er ihm ziemlich auf die Nerven, na ja, er war an ein Kind im Haus einfach nicht gewöhnt. Diese Unruhe, und ich hatte dann natürlich auch wesentlich weniger Zeit für ihn. Aber so nach einem Vierteljahr kamen sie besser miteinander aus.«
Das klang nicht nach überquellender, von Herzen kommender Zuneigung, die sich nun in verzweifelten Drohanrufen Bahn brach.
Nein, bestätigte Greta meine diesbezügliche direkte Frage, geliebt habe Arthur den Jungen nicht. Dafür seien sie zu unterschiedlich gewesen. Wie gesagt, Hauke sei ein eher sensibler Typ gewesen, während Arthur nicht allzu viel aufregte. Er habe sich schließlich mit ihm abgefunden, wie er eigentlich alles in seinem Leben eher so hingenommen habe.
Arthur Bebensee hatte zu ihren Ehezeiten bei Beate Uhse in Flensburg gearbeitet. Nicht als
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