Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
Vom Netzwerk:
über mich wusste, doch Mütter sind schließlich auch Menschen, und die sind bekanntlich verschieden. Also stimmte ich zu. Greta freute sich darüber wie ein Kind und bedauerte lediglich, dass jetzt Anfang Mai die Fähre von der Schönberger Seebrücke noch nicht ablegte, sonst hätten wir den Besuch mit einem veritablen Ausflug nach Kappeln, das ja ganz in der Nähe liege, verbinden können. Vielleicht wäre sogar Marga mitgekommen.
    Wäre sie nicht. Denn sie schätzte es ebenso wenig wie ich, stundenlang mit »Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön …« beschallt zu werden. Das war mehr etwas für radelnde Rentner mit Dudelkasten.
    Tags darauf im Auto schwärmte mir Greta die ganze Zeit über von dieser Fernsehserie vor, die in Kappeln gedreht wird und in der es zugeht wie in meinen Schmalzheimern, nur in Color und mit Ton. Ansonsten reihte sich beim »Landarzt« offenbar schon seit Jahrzehnten Dramolett an Dramolett, Ergreifendes an Ergötzliches, Flaches an Oberflaches. Ich hörte ihr schweigend zu und versuchte mir gleichzeitig eine Art Strategie für die Befragung von Mutti zurechtzulegen, als sie am Ortseingang von Eckernförde, mitten auf den Bahnschienen, merkte, dass mein Interesse an dieser Serie offenkundig äußerst gering war. Was zutraf. Ich hatte noch nie eine Folge gesehen. Ob ich denn mit meiner Obama-Story weitergekommen sei, wollte sie sodann wissen. Und ob ich ihre gestrigen Anregungen aufgenommen hätte?
    Ersteres bejahte ich, denn heute Morgen hatte mich meine Agentin bei Tee und Toast mit der Nachricht überrascht, dass mein Exposé bereits angenommen worden sei. Voller Elan und Schaffensdrang hatte sich Vivian daraufhin an den Schreibtisch gesetzt, um noch rasch etwas kurzes Herbstliches Marke Stadtpflanze trifft Naturbursche zu fabrizieren, bevor es an die Sklavenbefreiung ging. Es war ihr auch gelungen, allerdings mit vertauschten Rollen: Er war so ein Asphaltcowboy, dessen Hormonhaushalt von quietschenden Reifen auf glühendem Teer hochgeheizt wurde, während sie sich kaum mehr einkriegte, wenn sie eine Mistforke vor einem Schweinekoben erspähte. Schlechte Karten also? I wo, denn so gegen Ende der Geschichte wandern sie schließlich gemeinsam über wunderbar duftende Wiesen – »Vom Rinde gemäht« dachte Hanna, diese Nulpe, natürlich sofort –, und endlich, endlich sieht Richard-Lukas ein, wie wunderschön doch seine längsseits dahinschreitende Resi-Camilla sowie die sie umgebende Flur sind. Und ab geht’s ins Heu mit den beiden Süßen, wobei die Leserin es bekanntlich lediglich rascheln hört. Sie sieht oder liest nix, denn fortan waltet einzig und allein Gevatter Storch seines Amtes.
    Greta fand die Story große Klasse und schmückte sie derart enthusiastisch aus, dass ich sie ließ und nicht mit Fragen nach ihrer Mutter, deren Verhältnis zu Monika Strehler und ob sie vielleicht wisse könne, wer Haukes Vater sei, belästigte.
    Kurz vor Kappeln schnellte Gretas Arm plötzlich hoch. »Hier bitte rechts ab. Wir sind gleich da. Es sind nur noch fünf Minuten bis zum Louisenheim.«
    Ich gehorchte, und wir zuckelten eine Weile auf einer engen Landstraße dahin, rechts Felder, links Felder, bis ein u-förmiger Flachbau samt vorgelagertem Bushäuschen die ländliche Idylle störte.
    »Dort ist es«, teilte Greta mir unnötigerweise mit.
    Lediglich ein paar Bäume und Büsche umgaben das Anwesen. Kein Geschäft befand sich in der Nähe, kein Café, nur ein paar Blumenzwiebeln hatte eine milde Seele im letzten Herbst in die Erde gepfropft, die jetzt ihrer Bestimmung nachkamen, indem sie trieben und blühten.
    »Es ist ganz neu«, meinte sie, als sie mein Gesicht sah. »Innen ist es hochmodern.«
    Das mochte ja sein, doch wer seinen Fuß vor die Tür zu setzen wagte, stand verloren in der Pampa, es sei denn, er bewältigte mit seinem Gehwagen locker einen Zwei-Kilometer-Marsch, um in ein fremdes menschliches Antlitz blicken zu können.
    Ich schloss sorgfältig den Wagen ab und folgte Greta, die an drei blühenden Tulpenreihen vorbei entschlossen zum Haupteingang stapfte. In der Halle dominierte Glas, damit alles hell und freundlich wirkte. Und das tat es auch, wenn man lediglich die Architektur sowie das unbelebte Inventar betrachtete: Überall standen Palmen herum, wedelig, fisselig und breitblättrig. Dazwischen waren optisch ansprechend Tischchen mit Deckchen und Blümchen drauf platziert. Mit echten Blümchen wohlgemerkt; aus Plastik waren hier nur die

Weitere Kostenlose Bücher