DrachenHatz
gar nicht und erwiderte herzlich: »Ja, gern!«
Auf die Weise lockerte man die Stimmung und entspannte die Zeugin. Und entspannte Zeugen sind nun einmal die besseren Informanten – eine Private-Eye-Weisheit, die bereits für Lindsay Davis’ altrömischen Detektiv Marcus Didius Falco einen Bart gehabt haben dürfte. Außerdem kam mir die Frau nicht wie eine Spritdrossel vor, die jede Gelegenheit nutzte, um sich mit Cognac abzufüllen. Reiherwally hatten wir als Kinder eine solche Dame in der Nachbarschaft abfällig und bar jeglichen Mitleids genannt. Wahrscheinlich war die Arme lediglich furchtbar einsam gewesen.
Die gute Almuth, eine kleine grauhaarige Frau, der auf den ersten Blick absolut nichts zu fehlen schien, war bei meinen Worten aufgesprungen und zügig zum Schrank geeilt. Im Gegenteil, sie wirkte rummsgesund und ziemlich fit für eine geschätzte Mittsiebzigerin.
Greta bemerkte meinen verwunderten Blick. »Das Louisenheim war ganz allein Muttis Entscheidung«, beeilte sie sich hastig zu versichern und klang dabei fast ein bisschen beleidigt. »Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sie zu mir geholt.«
Almuth Pomerenke bedachte ihre Tochter mit einem lakonischen Lächeln. »Du weißt, dass ich dir nicht zur Last fallen möchte, Greta. Du hattest schon genug Sorgen mit Hauke.«
»Aber das tust du gar nicht, Mutti! Und du bist doch noch so gut bei–«
Mutti schüttelte dermaßen energisch den Kopf, dass ihre grauen Locken wippten. »Das währt nicht ewig, Kind. Schon morgen kann es anders sein, und dann sitzt du mit mir da.«
Beide Frauen klangen, als ob sie diese Diskussion schon des Öfteren geführt hatten. Und als ob die Rollen dabei fest definiert waren: Greta war offenkundig verletzt, weil ihre Mutter ihrer liebevoll-töchterlichen Pflege die anonyme in einem Heim vorzog, während Almuth Pomerenke ihre Ruhe haben und ohne kindlichen Vormund ihren Lebensabend gestalten wollte und sich ihrer diesbezüglichen Entscheidung ganz sicher war. Verkehrte Welt!
Mit gespitzten Lippen schenkte Almuth Pomerenke aus einer fein ziselierten Glasflasche mit metallenem Schraubverschluss zwei Fingerbreit von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in die Cognacschwenker ein.
»Bitte, Frau Hanna.« Genießerisch an ihrem Glas schnuppernd, hielt sie mir meines hin. »Willkommen in meiner Bude. Setzen Sie sich doch endlich; einen Stuhl habe ich immerhin.« Sie selbst nahm erneut im Sessel Platz.
Ich nahm einen Schluck. Mmmh, weich, sanft und köstlich. Und bestimmt sauteuer. Wir lächelten uns über die Glasränder verständnissinnig an.
Immerhin bewohnte Almuth Pomerenke ein Einzelzimmer. Ich hoffte, dass das kein Luxus, sondern Altenheim-Standard war. Ein kipp-, dreh- sowie höhenverstellbares Bett beherrschte den Raum, Lehnsessel, Fernseher, Tisch, Stuhl, Kommode und Schrank wurden dadurch zu bloßen Accessoires degradiert. Es wirkte trotzdem alles in allem ganz gemütlich – und verströmte doch den zweifelhaften Charme einer Knastzelle. Und das lag daran, dass es trotz eigener Möbel – nur das Bett ging aufs Haus – und trotz allen Bemühens einfach kein Zuhause war. Man lebte hier eben lediglich für eine relativ begrenzte Zeit, die zudem definitiv die letzte auf Erden war. Wartehalle sozusagen, na ja, Wartezimmer traf es besser.
»Und was verschafft mir nun die Ehre, junge Frau?«, wandte sich Almuth Pomerenke aufgeräumt an mich. »Oder gehören Sie zu diesen mildtätigen Seelen, die uns armen Greisen, pardon Senioren selbstverständlich, am Ende ihrer alten Tage noch eine kleine Freude bereiten wollen?«
Der Satz troff vor Ironie und machte ihr sichtlich Spaß. Ich hatte bereits eine passende Antwort auf den Lippen, doch Greta kam mir zuvor.
»Hanna benötigt Informationen, Mutti. Wegen der Anrufe, von denen ich dir erzählt habe.«
»Ach herrje, von mir? Ich weiß doch gar nichts, Kind. Jedenfalls nichts, was irgendwie weiterhelfen könnte. Hat er denn schon wieder …?«
Greta nickte mit zusammengebissenen Zähnen.
»Scheißkerl!«, murmelte ihre Mutter daraufhin mit Verve in der Stimme, nahm noch einen Schluck von dem Cognac und fixierte mich scharf. »Und Sie wollen Greta helfen?«
»Ja.«
»Mmh, das ist ehrbar«, konnte sie ihre Zweifel an meiner Kompetenz nicht ganz zurückhalten. »Na, dann schießen Sie mal los.«
Und das tat ich. Ich fragte sie nach Hauke, seinem Wesen, seinen Vorlieben und Abneigungen, nach Reaktionen gemeinsamer Bekannter auf den Tod des Jungen, nach Monika
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