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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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Nachforschungen heraus.
    Sie hüstelte und rang ganz offensichtlich mit sich. Ihr Mitteilungsbedürfnis gewann jedoch die Oberhand. »Es war an einem Novembernachmittag. Das weiß ich noch wie heute. Und natürlich war es ein Sonntag, wie das immer so ist bei solchen Ereignissen. Greta und der Junge hatten zusammen Pudding gekocht, und Hauke verwechselte Zucker mit Salz.«
    »Igitt.« Es schüttelte mich automatisch.
    »Das können Sie wohl laut sagen. Ich aß einen Löffel und spukte das Zeug sofort wieder aus. Aber Hauke … Es war ihm wohl peinlich, dass er beides durcheinandergebracht hatte, jedenfalls aß er mehrere Löffel von dem Pudding.«
    Himmel, war das alles? Das kam in den besten Familien vor. Ich unterdrückte ein Gähnen und erzählte die Geschichte zu Ende. »Er kotzte anschließend die ganze Küche voll, stimmt’s? Ja, dass das eine ordentliche Sauerei war, kann ich mir lebhaft vorstellen.«
    »Darum ging es nicht«, korrigierte mich Almuth streng. »Der Junge wäre fast gestorben.«
    Wie das denn, wollte ich einwenden, hielt jedoch meinen Mund, als ich ihr ernstes Gesicht sah.
    »Wussten Sie, dass 0,5 bis 1 Gramm Kochsalz pro Kilo Körpergewicht bereits für einen Erwachsenen über den Tag verteilt tödlich sein können?«
    So wenig?
    »Sie schafften es jedenfalls gerade noch rechtzeitig in die Notaufnahme. Es war wirklich äußerst knapp, und Greta war fertig mit den Nerven.«
    »Das kann ich mir vorstellen, die Ärmste«, meinte ich mitfühlend. Vom Pech verfolgt, nennt man das. Und mein Verdacht erhärtete sich nochmals, dass die Grundgütige bei Gretas Geburt Urlaub gemacht haben musste.
    »Mmh«, brummte Almuth Pomerenke in Gedanken versunken, schaute aus dem Fenster und dann zu mir. »Möchten Sie vielleicht noch einen Cognac, Frau Hemlokk?«
    »Hanna reicht. Und danke, nein.«
    Sie nickte. »Ja, meine Greta hatte es nie leicht in ihrem Leben. Und dabei war sie schon als Kind so zart.«
    Jetzt war es an mir, mit einem unbestimmten Laut zu reagieren.
    »Wissen Sie, Hanna, ich habe mich damals nicht ganz richtig um sie kümmern können«, fuhr Almuth unglücklich fort, »die Zeiten waren so kurz nach dem Krieg einfach anders.«
    »Greta nimmt Ihnen nichts übel«, versicherte ich ihr. Die alte Frau hörte mir jedoch überhaupt nicht zu.
    »… stand nach der Flucht ganz allein da. Mein Mann war lange Jahre in Russland, und als er dann endlich heimkam, starb er, und ich saß mit dem Kind da. Ohne Hilfe, ohne Unterstützung, ohne Perspektive. Das war hart, aber noch härter war die Lagerzeit in Dänemark direkt nach der Flucht. Weil ich so jung war und –«
    »Im Lager?«, fragte ich verwirrt.
    »Ja, Kindchen. Dänemark hat die deutschen Flüchtlinge aus dem Osten jahrelang in Lager gesteckt. Wir sind damals im Januar ’45 aus Elbing vor der Roten Armee geflohen. Auf dem Landweg, manche auch per Schiff. Zwölf war ich damals. Zwölf, das muss man sich einmal vorstellen. Ein Kind. Aber ich hatte Glück. Ich habe die Flucht überlebt und kam in der Nähe von Herning ins Lager Morø. Dort blieb ich drei Jahre. Bis 1948. Es war eine harte Zeit, Kindchen. Sicher, man gab uns zu essen, wir sangen im Chor und durften zur Schule gehen. Aber ich war ganz allein, verstehen Sie? Meine Familie hat es nicht geschafft … keiner von ihnen. Greta ist alles, was ich habe.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich leise.
    »Sie ist so fürsorglich. Weil wir nur noch uns beide haben. Das muss man einfach verstehen, und deshalb erzähle ich Ihnen das alles. Damit Sie nicht auf komische Gedanken kommen. Sie ist eine gute Tochter und war Hauke eine gute Mutter. Sie hat wirklich alles in ihrer Macht Stehende für ihn getan. Das hat jeder gesagt.«
    »Ja.«
    »Sie ist so besorgt. Dauernd will sie mich zu irgendwelchen Ärzten schleppen. Weil sie Angst um mich hat. Mir soll es einfach an nichts fehlen.«
    »Aber Sie möchten das eigentlich nicht.« Es war eine Feststellung, keine Frage meinerseits.
    »Nein«, gab sie zu. »Sterben muss ich schließlich so oder so. Mit dem Onkel Doktor oder ohne ihn.«
    Dazu gab es nichts zu sagen, fand ich und erhob mich zögernd.
    »Sie wollen gehen?« Plötzlich lachte sie leise, und um ihre Lippen begann sich ein kokettes, ja fast schon ironisches Lächeln breitzumachen. »Habe ich Sie denn jedenfalls von meiner Unschuld überzeugen können?«
    »Doch. Ja, ich glaube schon«, erwiderte ich eine Spur zu zögerlich, weil sie mich total auf dem falschen Fuß erwischt hatte. Was sollte das

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