DrachenHatz
denn jetzt?
»Also nicht«, stellte sie spöttisch fest. Doch es klang weder böse noch besorgt, sondern fast schon fröhlich.
Erst nach einem vierkugeligen Eis mit Sahne, beträufelt mit einer exorbitant leckeren Schokosoße, das ich am Kappelner Nordhafen mit Blick auf die Schlei samt Ausflugsbooten, Touristen und Brücke zu mir nahm, kam mir die Erkenntnis, weshalb sie so reagierte. Es tat sich endlich etwas in ihrem höchstwahrscheinlich ziemlich ereignisarmen Leben. Sie wurde verdächtigt, was an sich vielleicht nicht schön war, aber doch immerhin bedeutete, dass man ihr überhaupt noch zutraute, derartige Gemeinheiten zu begehen. Ich hätte Hannelore darauf verwettet, dass die gute Almuth den Rest des Tages damit verbrachte, sich um Fabians Alibi zu kümmern. Wenn er eines besaß, würde ich es umgehend präsentiert bekommen, wenn nicht … würde sie sich etwas für ihn überlegen, was für mich bestimmt nicht so leicht zu knacken war. Und das Ganze würde ihr einen höllischen Spaß bereiten, wie ein Spiel.
Ich zahlte und schlenderte gemächlich die gewundene Kappelner Hauptgeschäftsstraße Richtung Kirche und noch weiter bis zum Friedhof hoch, vorbei an der in allen bundesrepublikanischen Städten existierenden Mixtur aus Ketten- und Inhaberläden sowie an einer erheblichen Zahl von Kneipen, Cafés, Restaurants, Kaffee- und Biergärten, in denen man sich nicht nur an Fischtellern, -brötchen, -buletten, Seelachsfilet und Kutterschollen laben konnte. Auch das obligatorische Rumpsteak war allerorten im Angebot. Ich verspürte momentan jedoch keinerlei Appetit.
Ich mochte Almuth Pomerenke. Und traute ihr einiges zu. Immer noch. Doch dass sie Fabian einhundert Euro in die Hand drückte, ihn ermunterte, eine Ratte zu erschlagen, um sodann mit der zu ihrer Tochter zu fahren, sprengte meine Vorstellungskraft schon, wenn ich ehrlich war. Und darüber hinaus landete ich immer wieder bei der einen großen Frage: Aus welchem Grund sollte sie so etwas tun? Denn böse, wie die smarte Frieda behauptete, war Almuth nach meinem Eindruck nicht. Weshalb also? Weil Greta ihre Mutter unentwegt drängte, zum Arzt zu gehen, um sich möglichst jedes Blutplättchen einzeln untersuchen zu lassen? Schwachsinn! Weil die alte Dame sich unendlich langweilte und ein bisschen Abwechselung in ihr Leben bringen wollte? Na ja. Oder weil sie vielleicht doch nicht ganz freiwillig ins Heim gezogen war, sich dort keineswegs wohlfühlte, sondern in Wahrheit immer noch hoffte, bis zum Ende ihrer Tage en famille wohnen zu können? Mmh. War das denn alles nur Show, was Mutter und Tochter mir gegenüber inszenierten?
X
Unter Gustavs flacher Schädeldecke ratterte es sichtlich: knackfrischer Löwenzahn, liebevoll gepflückt von Pflegerinnenhand, oder Hannelore, die sich äußerst verführerisch neben meinem Salbeibusch sonnte und ihrem Galan keinen Blick gönnte. Es beutelte ihn heftig, meinen kleinen Liebling, immer wieder ruckte und zuckte sein Kopf hin und her, und er atmete schwer.
Dabei war die Luft wunderbar warm an diesem Juninachmittag und umschmeichelte einen geradezu samtartig, was in unseren Breitengraden derart außergewöhnlich ist, dass es sogar einen drögen Fischkopp wie mich zu fast ekstatischen Lauten hinriss.
Ich saß auf der Gartenbank und beobachtete meine beiden Turteltäubchen entspannt im Hier und Jetzt. Gustav linste nun erneut zu Hannelore hinüber, wobei sein Kehlkopf fast wie ein Flummiball auf- und niederzuhüpfen begann. Er warf einen letzten, halbherzigen Blick auf den Löwenzahn – und zack hatte die Aussicht auf Sex den Futtertrieb besiegt.
Ich schlürfte genießerisch meinen Tee. Es war eine sinnvolle Entscheidung, die mein Kröterich da getroffen hatte, fand ich. Grünzeugs fiel schließlich jeden Tag vom Himmel, eine Dame zum Schnackseln hingegen nicht.
Und genau dies hatte heute Morgen auch Rhett-Richard glasklar erkannt, der daraufhin Scarlett-Camillas Ja-Wort endgültig annahm, sie an seine baumwollene Brust drückte und ihr mit einem ebenso leidenschaftlichen wie inniglichen Kuss den Lippenstift verschmierte. Den gab es zu der Zeit schon. Das hatte ich extra recherchiert.
Dann hatte Vivian die gesamte Story noch einmal sorgfältig und in einem Rutsch durchgelesen. Sie war gut – Timing, Spannung und Erzählfluss stimmten –, bis auf die Passagen, in denen die drei Sklaven Mathy, Jeremiah und Ben Lesen und Schreiben lernen sollten. Die klangen irgendwie gönnerhaft und furchtbar weiß. Ich
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