DrachenHatz
wir jeden Morgen ausgiebig auf der Terrasse frühstücken konnten – ich mit einem halben Liter Ymer, wie der dänische Trinkjoghurt heißt, und wir beide mit Toast, Leverpostej sowie einem »blödgekochten Ei« – jeden Morgen fanden wir das wieder einfach nur herrlich, weil »blødkogt aeg« so wunderbar nach weicher Birne klang.
Danach schlenderten wir Hand in Hand durch die Dünen hinunter zum Strand, gingen zuerst ein Stück spazieren und anschließend baden, auch wenn das Wasser von tropischen Temperaturen weit entfernt war. Doch dagegen konnte man etwas tun. Im Bett eine Runde zu knuddeln, half in dieser Hinsicht äußerst zuverlässig. Und außerdem war es einfach zauberhaft, völlig entspannt neben Thomas zu liegen, nachdem wir uns geliebt hatten. Anschließend fuhren wir meist einkaufen, wobei für uns beide Fisch Priorität hatte, um dann abends gemeinsam in aller Ruhe zu kochen.
Mit anderen Worten, es war geradezu paradiesisch, und Greta, Verdoehl, Plattmann, Frieder Gallwitz, Almuth, Hauke, der Zivi, Harry und Marga waren weit, weit weg. Ich genoss das Hier und Jetzt in vollen Zügen. Bis wir einen Ausflug unternahmen.
XII
Thomas gelüstete es nach dem Inland, um auch von dort einen Eindruck zu bekommen. Ich hätte eigentlich lieber weiter auf unser bewährtes Programm gesetzt, doch in einer Beziehung muss man bekanntlich jede Menge Kompromisse eingehen. Also fuhren wir am Dienstag nach dem Frühstück bestens gelaunt los. Es ging Richtung Herning, Silkeborg, Viborg, vorbei an Feldern und Wiesen, schmucken Häusern und wohlgenährten Kühen sowie Tausenden von flatternden oder schlaff hängenden, jedoch niemals vom Wind zerzausten Danebrogs. Vor jedem Stall hing so ein Ding, und ich sann gerade träge und glücklich darüber nach, dass die dänische Fahnenindustrie neben der Schweinemast bestimmt eine der Hauptstützen der Wirtschaft darstellte, als wir einen Ort passierten, dessen Namen ich schon irgendwo einmal gehört hatte. Morø.
Ich überlegte, aber es fiel mir nicht ein. Und doch kannte ich ihn.
»Sagt dir der Name etwas?«, wandte ich mich an Thomas.
»Welcher Name?«
»Morø.«
Er dachte brav nach und legte dabei seine Stirn tatsächlich in ganz entzückende Dackelfalten. Schon allein deshalb sollte ich ihn öfter etwas fragen, was er nicht sofort beantworten konnte. »Nein, tut mir leid. Sollte es denn?«
Ich schüttelte nachdenklich den Kopf, während wir mit den vorschriftsmäßigen dreißig Stundenkilometern an einem Altenheim vorbeizuckelten. Die Erinnerung traf mich wie ein Blitz: »Almuth Pomerenke!«, verkündete ich triumphierend. »Gretas Mutter. Sie hat ihn erwähnt.«
Thomas schwieg.
»Und weißt du auch, in welchem Zusammenhang?«, legte ich nach.
»Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.« Er klang, na ja, verhalten, aber ich ignorierte das. So ein bisschen Geschichte musste der Mann doch abkönnen. »Da war sie als deutscher Flüchtling nach dem Krieg im Lager. Von 1945 bis 1948, wenn ich mich recht entsinne. Das ist eine verdammt lange Zeit, nicht?«
»Ja«, stimmte Thomas mir einsilbig zu. Ich fand seine Reaktion gelinde gesagt reichlich unterkühlt. Neben ihm saß schließlich keine Frau ohne Vergangenheit und ohne Job!
»Nun stell dich doch nicht gleich wieder so an«, brummelte ich. Normalerweise wäre mein Kommentar zu seinem Verhalten noch eine Spur deutlicher ausgefallen. Er wusste meine vorbildhafte Zurückhaltung jedoch nicht zu würdigen.
»Wir hatten ein Abkommen, Hanna«, erinnerte er mich steif.
Du lieber Himmel, er tat ja gerade so, als stünde ich im Begriff, den Friedensvertrag von Versailles aufzukündigen!
»Thomas«, begann ich nach ein paar Minuten vorsichtig.
Er blickte stur auf die Straße. »Nein, Hanna. Ich bin in dieser Frage nicht kompromissbereit.«
So, so. »Und was heißt das?«, fragte ich ehrlich interessiert. Ich hatte doch um gar nichts gebeten, wenn ich mich richtig erinnerte.
»Das heißt, dass alles, was mit Greta oder Plattmanns geklautem Holz, Ratten, verwüsteten Wohnungen oder irgendwelchen Drohanrufen zusammenhängt, hier in Dänemark keine Rolle spielt«, entgegnete er sehr beherrscht.
»Aha. Und was genau unter diese Klausel fällt, legst du ganz allein fest? Verstehe ich dich da richtig?« Ich war auch ganz ruhig, aber als Thomas versuchte, mir die Hand auf den Arm zu legen, blockte ich ab.
»Schau«, sagte er versöhnlich, »ich kenne dich doch. Wenn man dir keinen Einhalt gebietet, wirst du am
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